Tiefe
Lächeln auf. »Ich habe einen neuen Auftrag bekommen«, sagte er. »Das bedeutet, daß ich periodisch wieder auf Reisen sein werde. Mich erwarten jedoch keine wirklichen Strapazen. Keine Eiswanderungen, keine langen Aufenthalte auf Schiffen draußen im Meer.«
»Was sollst du tun?«
»Wie üblich ist der Auftrag geheim. Du weißt, daß ich nichts davon erzählen kann, selbst wenn ich es wollte. Alles, was mit der schwedischen Flotte zu tun hat, ist geheim. Der Krieg ist die ganze Zeit sehr nah.«
»Alles, was ich habe, ist eine Postadresse«, sagte sie. »Das Feldpostamt in Malmö. Aber ich weiß nie, wo du bist.«
Sie saßen in dem warmen Zimmer. Das Dienstmädchen hatte frei, im Haus war es still. Sie hatten die Sessel vor den Kachelofen gestellt. Die Messingluken standen halb offen. Hin und wieder stocherte er in der Glut. Er war ruhig, obwohl alles, was er sagte, keinen Sinn ergab. Seine Schweigepflicht verschmolz mit dem Auftrag, der nicht existierte, den er aber trotzdem ausführen würde. Seine Expedition bewegte sich in einem Vakuum.
Nicht einmal das mit dem Meer stimmte.
»Ich kann nur so viel sagen, daß ich mich auf der anderen Seite von Schweden befinden werde. Ein Teil der Zeit werde ich mich in der Festung von Karlsborg aufhalten, am Vätter-see. Dann werde ich unter größter Geheimhaltung nach Marsstrand verlegt werden. Nichts davon darfst du irgend jemand verraten.«
»Ich sage nie etwas weiter.«
»Du darfst nicht einmal andeuten, daß ich mich auf Reisen befinde.«
»Wenn du nicht hier bist, muß ich doch irgend etwas sagen.«
»Du kannst sagen, ich sei unpäßlich und befände mich in einem Sanatorium.«
Sie drückte seine Hand. »Ich will dich hierhaben.«
Ich will nicht hiersein, dachte er und mußte sich zwingen, ihre Hand nicht zurückzustoßen. Ich will nicht hiersein, ich habe Angst vor dem Kind, vor diesen Zimmern, vor allen Porzellanfiguren und ihren toten Augen.
Ich liebe dich, aber ich will nicht hiersein. Ich liebe deinen Duft, aber ich fürchte mich vor dem Tag, an dem der Duft fort ist. Ich habe Angst davor, daß ich aus einem Traum aufwachen werde, ohne zu wissen, was er bedeutet.
Sacht strich er mit den Fingern über ihre Hand. »Ich bin bald zurück, und vor allem wird unser Kind einen Vater haben, der die neun Monate Wartezeit dazu genutzt hat, in den Rängen zu steigen.«
»Es ist ein ehrenvoller Auftrag?«
Er konnte ihre Erwartung spüren. »Selbst das ist ein Geheimnis.«
»Mir mußt du es doch sagen können.«
Er beugte sich näher zu ihrem Gesicht hin und flüsterte: »Ich werde Fregattenkapitän.«
Er kostete das Wort aus und lächelte.
»Das freut mich. Das wird meinem Vater gefallen.«
»Es ist notwendig, daß das, was ich erzähle, unter uns bleibt. Du darfst es nicht einmal ihm sagen.«
Geduldig fuhr er fort, ihr zu erklären, daß er bald zurück wäre. Es gab keine Gefahr, er würde nur seine Pflichten erfüllen. »Nichts ist wichtiger als das Kind«, sagte er. »Die Pflicht muß erfüllt werden. Aber das Kind ist das wichstigste.«
»Ich möchte, daß unser Sohn Ludwig heißt, nach meinem Vater. Wenn es eine Tochter wird, soll sie Laura heißen. Nach meiner Schwester. Ich habe mir immer gewünscht, so zu heißen, als ich ein Kind war.«
Er lächelte immer noch. »Ludwig ist ein schöner Name, und er hat Kraft. Natürlich soll unser Sohn Ludwig heißen.«
»Vielleicht sollte er Hans Ludwig heißen?«
»Den Namen meines Vaters soll er nicht tragen.«
»Wann reist du ab?«
Ich bin schon abgereist, dachte er. Ich bin nicht hier, das ist nur ein Abdruck, den ich hinterlassen habe, wie eine Spur, die langsam verwischt wird.
»Bald«, sagte er. »Ich weiß es nicht genau, aber bald. Ich muß schließlich bei dir sein, wenn du schwanger bist.«
Er saß an ihrer Seite und hielt ihre Hand. Sie war jetzt wärmer, nicht so kalt wie zuvor.
Drei Tage später nahm er auf Skeppsholmen ein Schreiben entgegen.
In einer ausführlichen Begründung stellte der Ausschuß fest, daß Kapitän Lars Svartman seine Aufträge stets mit äußerster Genauigkeit und Kompetenz ausgeführt habe. Der Ausschuß hielt es daher für angebracht, Lars Svartman den gewünschten unbezahlten Urlaub zu bewilligen. Das exakte Datum für seinen Wiedereintritt würde später festgelegt werden.
Nach dem Besuch auf Skeppsholmen machte er einen langen Spaziergang durch Djurgärden. Weit draußen auf Block-husudden wischte er den Schnee von einer der Bänke. Ein Schlepper mühte sich
Weitere Kostenlose Bücher