Tiefe
schlief ein. Er legte sich dicht neben sie, spürte ihre Wärme.
In dieser Nacht träumte er von einem Schiff, das draußen am Horizont rückwärts entlangfuhr. Es war, als ob jemand zu seiner Hinrichtung gebracht würde.
In einer Nacht Mitte Mai weckte sie ihn und legte seine Hand auf ihren Bauch. Das Kind strampelte.
Draußen in der Dunkelheit schrie ein Nachtvogel.
Sie sagten nichts, da waren nur die Hand, das Kind, das strampelte, der schreiende Vogel.
Er versuchte, sich die Kinder vorzustellen. Sara Fredrikas Kind, Kristina Tackers Kind.
Das von Kristina Tacker hatte ein Gesicht, das seine.
Das von Sara Fredrika glich den Skeletteilen eines Fußes.
Als sie eingeschlafen war, stand er vorsichtig auf und ging hinaus. Der Frühlingsabend war hell, feucht, ein schwacher Wind zog über die Klippen. Er stieg auf den höchsten Gipfel und sah aufs Meer hinaus.
Plötzlich wurde er von Kraftlosigkeit übermannt. Das Begehren und die Lust waren vergangen. Wieder sah er nur den Schmutz und das Elend.
Ich muß weg, dachte er, ich muß die Schäre ohne sie verlassen. Irgendwie werde ich ihr aus der Entfernung folgen, sie sehen, ohne daß sie mich sieht.
Aus der Entfernung kann ich mein Kind erleben. Aber hier kann ich nicht bleiben.
Die Tage waren immer noch kühl, obwohl es Ende Mai war. Ein kräftiger, aber kurzer Sturm riß Steine und Mörtel aus dem Kamin. Er kletterte aufs Dach und reparierte den Riß. Aus dem Innern der Hütte konnte er hören, wie Sara Fred-rika mit sich selbst sprach.
Als er hinunterklettern wollte, sah er ein Segelboot sich durch die längliche Lindöbucht nähern. Es machte gute Fahrt, das Segel war in einem deutlichen Bogen gespannt.
Er sprang vom Dach hinunter, Sara Fredrika kam heraus, und er berichtete von dem Segelboot.
»Das ist Helge«, sagte sie. »Du erinnerst dich an ihn und seinen Sohn.«
Er machte sich bereit, hinunterzugehen und das Segelboot zu empfangen.
»Ich will allein mit ihm reden«, sagte sie. »Aber vom Fuß meines Mannes in dem Netz sage ich nichts.«
Er ging in die Hütte, legte sich auf die Pritsche, wartete und schlief ein. Als er die Augen aufschlug, war es schon Abend. Er ging hinunter zur Bucht. Ihre Segeljolle lag da. Aber das fremde Boot war verschwunden.
Auch Sara Fredrika war verschwunden.
Er suchte die ganze Schäre ab, rief, ohne Antwort zu erhalten. Erst als er an der steilen Nordseite angelangt war, wo die Dünung tief zwischen den zersprengten Klippen heranrollte, fand er sie.
Sie schlief. Neben ihr lag eine zerschlagene Flasche unter den Steinen.
Sie erwachte mit einem Ruck und setzte sich auf. Sie fing an zu husten, der Schnapsgeruch schlug ihm entgegen. Als sie versuchte aufzustehen, fiel sie hin und schrammte mit einer Wange gegen die Klippe. Er streckte die Hand aus, aber sie schlug sie lachend weg.
»Ich bin betrunken. Helge hat verstanden, daß ich etwas zu trinken brauche. Er hat immer Branntwein im Boot. Es kommt nicht oft vor. Morgen ist alles wieder wie gewöhnlich.«
»Du kannst nicht über Nacht hier liegenbleiben.«
»Ich erfriere nicht. Keine Vögel werden kommen und auf mir herumhacken. Ich muß hier liegen, damit ich mich wieder aufrichten kann.«
Sie streckte sich aus, zog den Rock hoch und machte die Beine lang. »Du bekommst mich heute nacht nicht ins Haus. Aber du kannst hier liegen, wenn du willst.«
Sie griff nach seinem Bein, und es gelang ihr beinahe, ihn zu sich zu ziehen. Sie war stark, ihre Hände waren wie mechanische Greifhaken. Als er sich loszureißen versuchte, lachte sie und hielt ihn noch fester.
»Hast du nicht verstanden? Ich werde den nicht loslassen, der mich von hier wegbringen soll.«
»Ich habe es verstanden.«
Sie ließ ihn los und kauerte sich in der Kluft zusammen.
Ich muß weg, dachte er. Eines Tages rammt sie mir die Axt in den Kopf, wenn sie erkennt, daß ich nicht derjenige bin, der sie retten wird.
Er entdeckte, daß er Angst vor ihr hatte. Er konnte sie nicht kontrollieren, ob sie betrunken war oder nüchtern.
Sie riß Moos von der Klippe und bedeckte damit ihr Gesicht. »Laß mich jetzt«, sagte sie. »Morgen ist alles wie gewöhnlich.«
Es gibt nichts Gewöhnliches, dachte er. Ich muß hier weg, bevor sie mich durchschaut. Sie wird den Abgrund in mir entdecken, wenn ich nicht verschwinde. Ihr Abgrund gehört ihr, meiner gehört mir. Ich befinde mich zu nah bei ihr.
Spätnachts kehrte er zu der Felskluft zurück.
Er merkte am Geruch, daß sie sich übergeben hatte. Er ließ
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