Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
einer kleinen Pyramide aus Tüten. „Wir haben im Moment nur kleine.“
Bess würde niemals die Stunden vergessen, die sie über das heiße Fass mit Zucker, Maissirup und geschmolzener Butter gebeugt verbracht hatte. Mr. Swarovsky, der Besitzer des Sugarland, hatte auf täglich frisch zubereitetem Karamellpopcorn bestanden. „Ist es frisch?“
In dem Moment, wo die Worte ihren Mund verließen, zuckte Bess zusammen. Sie klang genau wie die hochnäsigen Touristen, die sie damals in den Wahnsinn getrieben hatten. Das Mädchen zeigte außer einem kurzen Schulterzucken jedoch keine Reaktion.
„Sicher. Glaub schon. Hey, Dad!“, rief sie über ihre Schulter nach hinten. „Dad!“
Der Mann, der aus dem kleinen Hinterzimmer kam, nahm eine ganze Menge vertikalen Raum ein. Seine breiten Schultern und schmalen Hüften ließen ihn größer wirken, als er war. Dunkles Haar stand ihm wirr vom Kopf ab, und seine Brille, die beinahe die gleiche war, wie das Mädchen sie trug, hätte auch ohne dass sie ihn Dad genannt hätte auf die Familienbande hingewiesen. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus und enthüllte gerade, glänzend weiße Zähne. Das Lächeln verwandelte ihn in Sekunden von schrullig in schön, und Bess wunderte sich, was sie getan hatte, um so ein Strahlen zu verdienen.
„Bess? Bess McNamara?“ Ungeachtet der ungläubigen Blicke seiner Tochter kam der Mann um den Tresen herum und griff nach Bess’ Hand.
Sie reichte sie ihm, und er schüttelte sie enthusiastisch. „Ja? Ich meine, ja, ich bin Bess.“
„Bess.“ Der Mann umfasste ihre Hand mit beiden Händen und hielt sie ein paar Minuten länger als notwendig. Dann ließ er sie los. „Ich bin’s. Eddie Denver.“
Es war sehr unhöflich, ihn so ungläubig anzustarren, aber Bess konnte nicht anders. Sie betrachtete ihn eingehend von Kopf bis Fuß, während er lachte. „Eddie? Oh mein Gott, Eddie … wow.“
Er lachte weiter und zog den Kopf ein, und anhand dieser Geste erkannte sie ihn wieder. „Ja. Die Zeiten ändern sich, was?“
Wenn er sich nicht vorgestellt hätte, hätte Bess ihn niemals erkannt. Die Akne war verschwunden, ebenso die Zahnspange, die dürren, immer leicht gekrümmten Schultern. Eddie Denver war erwachsen geworden. „Woher wusstest du, dass ich es bin?“
Hinter seiner Elvis-Costello-Brille konnte sie ein Funkeln in seinen Augen sehen, als er sie anlächelte. „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“
Bess lachte, fühlte sich ein wenig unsicher. Jetzt war sie an der Reihe zu erröten. „Ja, sicher.“
Eddie schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine das ernst.“
Verlegen berührte sie ihr Haar, das ihr lose ums Gesicht fiel. Sie würde ihn nicht auf die ersten silbernen Strähnen darin aufmerksam machen oder auf die paar Extrapfunde an Hüften und Po. Sie schaute sich im Laden um. Eddies Tochter starrte sie immer noch aus großen Augen an.
„Was machst du hier, Eddie? Sag mir nicht, dass du immer noch für Mr. Swarovsky arbeitest.“
Eddie warf den Kopf zurück und lachte aus vollem Herzen. Bess bewunderte sein Selbstbewusstsein. „Nein. Ich habe ihm den Laden vor ungefähr fünf Jahren abgekauft. Oh, und das ist übrigens meine Tochter, Kara.“
Kara winkte mit ein paar Fingern und ging dann wieder dazu über, gelangweilt vor sich hinzuschauen. Eddie lachte. „Merkst du, wie begeistert sie darüber ist, hier zu sein?“
Kara verdrehte die Augen. Bess schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. „Dein Vater und ich haben zusammen hier gearbeitet.“
Der Teenager nickte. „Ja. Er hat mir alles darüber erzählt, aber nur ungefähr eine Million Mal.“
Darüber mussten Eddie und Bess beide lachen.
„Erzähl, was ist bei dir in der Zwischenzeit passiert“, forderte Eddie sie auf. „Ich habe dich seit diesem letzten Sommer, in dem du hier gearbeitet hast, nicht mehr gesehen.“
Bess öffnete den Mund, schloss ihn wieder, lachte. „Ach, weißt du. Das Übliche. Heirat, Kinder. Nichts Aufregendes.“
Eddie schaute sich in dem leeren Laden um, dann sah er Bess wieder an. „Hey, warum lässt du dich nicht von mir auf einen Kaffee einladen und wir quatschen ein bisschen. Hast du Zeit?“
Einen kurzen Moment erhaschte Bess einen Blick auf den alten Eddie, der ihr nie in die Augen hatte sehen können. Dieser Blick in die Vergangenheit war so liebenswert, dass sie seinem Vorschlag zustimmte. „Gerne, das klingt gut.“
„Pass bitte kurz auf den Laden auf, Kara. Ich bin eine Weile
Weitere Kostenlose Bücher