Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
heute strahlender zu sein als sonst, was vielleicht daran lag, dass ihr Gesicht heute ungewöhnlich blass war. Doch es war ihr Mund, der ihre Aufmerksamkeit erregte.
Ihr Mund. Die Lippen, die Nick geküsst hatte. Sie bleckte die Zähne, schaute sich ihre Zunge an. Die Zunge, die in seinem Mund gewesen war.
Bess musste sich setzen. Schnell. Ein Schwindel überfiel sie, und sie vergrub ihr Gesicht in den Händen, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und wartete, ob die Pizza wieder hochkommen würde.
Doch ihr Magen war zwar etwas unruhig, behielt das Essen aber bei sich. Ihre Augen pochten, aber sie wollte nicht weinen. Um ehrlich zu sein, konnte sie nicht anders als grinsen. Breit und immer breiter zu grinsen.
Sie hatte Nick Hamilton geküsst.
Und er hatte den Kuss erwidert. Er hatte sie berührt, und sie hatte ihn berührt. Ein ersticktes Lachen sprudelte aus ihr heraus, und sie erstickte es hinter ihrer Hand. Ein weiterer Blick in den Spiegel zeigte das gleiche Bild. Ihre Lippen waren immer noch geschwollen von Nicks Kuss.
Sie hatten nur ein wenig gefummelt, mehr nicht. Mit so vielen Leuten in seiner Wohnung war an Privatsphäre nicht zu denken, und da beide am nächsten Tag Frühschicht hatten, war es sowieso schon viel zu spät gewesen. Bess war diejenige, die sich schließlich losgerissen hatte. Er war ihr bis zu ihrem Fahrrad gefolgt und hatte sie dort noch einmal so geküsst, dass ihr der Atem weggeblieben war.
Mist. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie zu spät dran war. Schnell band sie ihre Haare zusammen, schlüpfte in ihre Uniform aus weißem Poloshirt und khakifarbenem Rock, schnappte sich ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Als sie im Laden ankam, hatte die frühe Morgenluft ihre Kopfschmerzen vertrieben. Und sie konnte immer noch nicht aufhören zu grinsen.
„Sieh mich ja nicht so an, du …“ Brian saß mit gesenktem Kopf auf den Stufen vor der Hintertür und stöhnte ganz erbärmlich. „Verdammte Scheiße, hab ich vielleicht ’nen Kater. Warum hast du keinen?“
„Weil ich nicht so dumm bin, mich zu betrinken, wenn ich am nächsten Morgen Frühschicht habe“, erwiderte Bess ungerührt. Sie stieß ihn mit einem Zeh an. „Auf, auf, Kleiner. Wer feiern kann, kann auch arbeiten.“
Brian zitterte, erhob sich aber. „Es ist viel zu früh. Warum ist Tammy nicht hier?“
„Weil“, erklärte Bess geduldig, während sie die Tür aufschloss, „heute du, Eddie und ich dran sind. Tammy hat gemeinsam mit Ronnie die Spätschicht.“
„Natürlich“, schnaubte Brian. „Die Turteltauben.“
Eddie kam genau in dem Moment den Bürgersteig entlang, als Bess die Tür öffnete. „G-guten Morgen.“
Brian winkte. „Eddie, wie wär’s, wenn du heute den Tresen übernimmst und ich mich ins Hinterzimmer verziehe und Slushy-Becher zähle?“
Eddie sah so panisch aus, dass Bess Mitleid mit ihm bekam. „Halt den Mund, Brian. Trink ein Glas Wasser und nimm eine Aspirin.“
Eddie schaute Brian nach, als sie den Laden betraten. Er verschwand sofort in dem winzigen Badezimmer. „Was ist mit ihm los?“
„Kater.“ Ihr eigener Kopfschmerz erschien ihr nur noch wie ein weit entfernter Traum, Gott sei Dank, der von der Erinnerung an Nicks Geschmack abgelöst worden war. „Wird schon wieder. Wir waren gestern Abend auf einer Party.“
„Ist er das nicht jeden Abend?“
Heute trug Eddie ein Poloshirt, das dem von Bess sehr ähnlich war, nur war seines dunkelblau. Der Kragen lag an einer Seite an und stand auf der anderen Seite ab. Ohne groß darüber nachzudenken, glättete Bess die beiden störrischen Ecken. Eddie erstarrte unter ihrer Berührung, und sie versuchte, ihre Hände ganz entspannt wegzunehmen, um ihm nicht zu verraten, dass sie seine Reaktion bemerkt hatte.
„Der war schief“, sagte sie. „Also dein Kragen.“
„Danke.“ Mit der Hitze, die Eddie in die Wangen stieg, hätte man einen Ofen anheizen können. Er schaute ihr nicht in die Augen.
Bess wusste, wie er sich fühlte, aber am empfangenden Ende dieser Bewunderung zu stehen, ließ sie sich unbehaglich fühlen.
Sie nickten einander kurz zu, dann wandte Bess sich ab. Um diese frühe Uhrzeit würden noch nicht viele Kunden kommen, aber es gab eine Menge vorzubereiten. Der Laden würde in einer Stunde öffnen, und auch wenn Bess nicht verstand, wie man so früh am Morgen schon Eis oder Popcorn essen konnte, wusste sie, dass in dem Moment, wo sie das „Geöffnet“-Schild an die Tür hängte, der
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