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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Steenbergen
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anzuschauen?«
    »Wenn es sein muss.«
    Tessa zog ein weiteres Bild aus der Tasche und hielt es ihm hin. Es zeigte die ermordete Studentin Mieke Tervoren. Allerdings nicht in dem Zustand, wie die Agenten sie in dem Hochaus vorgefunden hatten, sondern eine ältere Ausgabe aus einem Jahrbuch der Amsterdamer Universität des letzten Jahres. De Hag betrachtete es einen Moment und sah dann Tessa an.
    »Eine hübsche junge Frau. Aber mir völlig unbekannt.«
    »Sind Sie sicher?«, bohrte Tessa nach.
    De Hag seufzte erschöpft. »Bitte, ich brauche jetzt etwas Schlaf. Mein Kopf zerspringt gleich.«
    Willem stand auf und bedankte sich bei dem Patienten. »Ruhen sie sich aus, Sie haben genug getan für heute. Lassen Sie sich nicht von der Krankenschwester die Zigaretten abnehmen. Ich kann noch nicht abschätzen, wann ich später die Gelegenheit habe, Ihnen eine weitere Schachtel vorbeizubringen. Im Notfall fragen Sie den Agenten vor der Tür.«
    »Ich werde Sie mit Argusaugen bewachen. Versprochen«, scherzte De Hag, als die beiden das Zimmer verließen.
    Tessa glaubte von Willem ein Flüstern wahrzunehmen, das sich so ähnlich wie »Das hoffe ich doch« anhörte.

11:38 Uhr, 5. Mai, Innenstadt, Amsterdam
    Willem und Tessa Boyens trafen in etwa gleichzeitig mit Angemer und einer kleinen Polizeieskorte in der Lijnbaansgracht ein. Der Timer zeigte jetzt nur noch neun Stunden und zweiundzwanzig Minuten an.
    Willem stoppte den Wagen vor einem Nachtclub mit einem geschwungenen Schriftzug aus Leuchtröhren über dem Eingang. An einigen Stellen waren die Röhren zersplittert oder herabgefallen und niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Schaden zu reparieren. Trotzdem ließ sich problemlos entziffern, was dort früher einmal gestanden hatte: Beautiful Island.
    Es hatte die Agenten mehrere Stunden intensiver Recherche gekostet, um hinter die Bedeutung des Begriffs »Beautiful Island« zu kommen und den Ort ausfindig zu machen, vor dem sie jetzt standen.
    Der Zufall, in Gestalt eines Kollegen aus dem Drogendezernat der Polizei, der sich noch lebhaft an seine lang zurückliegenden Amsterdamer Partyzeiten erinnerte, hatte ihnen auf die Sprünge geholfen. Da das Etablissement offiziell einen anderen Namen getragen hatte, kam dies einer glücklichen Fügung gleich.
    Der Club lag beinahe versteckt und ein wenig abseits des Bezirks, in dem sich ein Teil des Amsterdamer Nachtlebens abspielte.
    Seit der Besitzer mit der Konzession vor mehr als zehn Jahren Schwierigkeiten gehabt hatte, stand das Gebäude leer. Dass die Eingangstür unverschlossen war und sich darüber hinaus auch noch nahezu lautlos öffnen ließ, als seien die Scharniere erst vor kurzem eingefettet worden, deutete darauf hin, dass der Club nicht so gänzlich unbenutzt war wie zunächst angenommen. Vorsichtig stieß Willem die Tür vollständig auf.
    Das Tageslicht erhellte den Flur vor ihm vielleicht zwei, drei Schritte weit. Dahinter sah er ausschließlich diffuse Dunkelheit. Angemer und die Polizisten bauten sich mit gezückten Waffen neben der Tür auf. Dann gab der Kommissar ein Handzeichen. Einer nach dem anderen schlüpfte durch die Öffnung hinein, während sie sich gegenseitig Feuerschutz gaben. Im Club blieb es ruhig. Zu ruhig nach Willems Geschmack.
    Kaum hatten Tessa Boyens und er den Fuß über die Schwelle gesetzt, krachten plötzlich die ersten Schüsse. Holzsplitter spritzten aus Tür und Rahmen, als sie von den Projektilen einer automatischen Waffe bestrichen wurden. Ein scharfer Schmerz fraß sich durch den Oberarm Willems, während er Tessa Boyens in Deckung zog.
    »Kopf runter!«, brüllte er gegen den Lärm an.
    »Sie bluten«, stellte Tessa besorgt fest. »Wir müssen die Wunde versorgen.«
    »Halb so wild. Ist nur ein Streifschuss. Darum kümmere ich mich später.«
    Wenige Meter vor ihnen hockten die Polizisten im Flur und schossen in das Halbdunkel, ohne die Position des Gegners ausgemacht zu haben. Mündungsfeuer blitzte unentwegt auf und erleuchtete den Gang und dessen kahle Wände.
    Der Gestank von Pulver erfüllte die Luft. An Vorrücken war nicht zu denken. Mehr noch, alles andere außer einem Rückzug kam einem Selbstmordkommando gleich. Daher befahl Angemer umgehend, die Stellung aufzugeben und aus dem Eingangsbereich des Clubs zu verschwinden.
    »Alle zurück! Sofort! Wir müssen Verstärkung anfordern und anschließend das Gebäude umstellen.«
    Die Polizisten räumten den Flur, begleitet von laut jaulenden Projektilen. Einer der

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