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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Szenerie eingenommen, die soeben Strich für Strich Gestalt annahm.
    *
    Giovanna sei kurzfristig nach München verreist und würde erst spät in der Nacht zurückerwartet, hatte der Rezeptionist Kilian gesagt. Die Schachtel mit der Feder ließ er für sie im Hoteltresor aufbewahren, sodass sie sie gleich am nächsten Morgen wieder in Empfang nehmen konnte.
    »So ein Mist«, raunzte Kilian.
    Wo sollte er jetzt hingehen? Um den Stachel würde er heute Abend einen weiten Bogen machen. Also ging er zunächst zum Park.
    Als er später am Residenzplatz angekommen war, schaute er sich nochmal das Hauptportal an. Es lag majestätisch wie ein Schiff aus einer fernen, längst vergangenen Zeit vor ihm und starrte ihn an. Über ihm erstrahlten Sterne und funkelten aus einem satten Nachthimmel auf ihn herab.
    Er wollte seinen Weg schon weiterführen, da glaubte er einen kurzen, kaum merklichen Lichtschein im ersten Stock gesehen zu haben. Er war sich nicht sicher und schaute nochmal hin. Nichts. Alles dunkel. Er wartete noch einen Moment, entschied sich schließlich, den Platz zu überqueren, als erneut aus dem oberen Stockwerk etwas herauszuleuchten schien. Da war etwas. Ganz sicher. Er wollte der Sache auf den Grund gehen und steuerte auf das Hauptportal zu. Er rüttelte am Griff. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Er ging weiter und probierte es am Seitenportal. Auch dieses war fest verschlossen. Als er bereits aufgeben wollte, erkannte er, dass das schmiedeeiserne Tor in die Hofgärten nur angelehnt war. Er ging hindurch, ließ das Südportal hinter sich und stand nach wenigen Metern vor den verglasten Gartentüren der Residenz. Er drückte dagegen, und sie öffneten sich.

14
    »Das Volk der Franken ist vom Schöpfer Gott erschaffen, stark in Waffen, weise im Rat, von edlem Körper, unbefleckter Reinheit, auserlesener Schönheit, kühn, schnell, stark und tüchtig. Es hat das römische Joch von den Schultern geworfen!«, zitierte eine sonore Männerstimme. »Das ist aus der Lex Salica, also aus dem Gesetz des fränkischen Stammes der Salier. Erstfassung um das Jahr 507. Und das war lange, lange bevor es so etwas wie die ›Bayern‹ gab.«
    Es wurde applaudiert, und dann stießen vier Schoppengläser zusammen, die auf einen Schluck geleert wurden.
    »Irma!«, rief Erich der Bedienung zu. »Noch ä’ Ladung!«
    »Mit diesem Auszug aus der Lex Salica eröffne ich die letzte offizielle Sitzung unseres Kulturhistorischen Vereins zur Pflege und Förderung mainfränkischer Lebensart e.V. vor der Sommerpause«, sagte der Vorsitzende Prof. Dr. Heinz-Günther Fürst und stellte den Vereinswimpel in die Mitte des Tisches. Der dunkelgrüne Wimpel zeigte einen Mann und eine Frau in mainfränkischer Tracht beim Tanz.
    »Ordnungsmäßig erschienen sind das Vereinsmitglied und gleichzeitig Frauenbeauftragte Renate Pohl …«, setzte Heinz- Günther fort.
    »Beauftragte für Frauen und Familie in Gesellschaft, Politik und Religionsfragen. So viel Zeit muss sei«, unterbrach Renate in geziert näselndem Ton.
    »Der Schatzmeister und Technischer Leiter Erich Reifenschläger«, führte Heinz-Günther unbeeindruckt weiter aus.
    Erich nickte zufrieden und trommelte mit den Fingerspitzen auf seinen Bauch, der von seinem Hemd nur noch mühsam zusammengehalten werden konnte.
    »Des Weiteren ist anwesend unser Mann für Öffentlichkeitsarbeit, Presse und Marketing, der Schriftführer Walter Bernhard Kornmüller. Hast du das, Walter?«
    »Hab ich«, antwortete Walter beflissen. Er machte einen letzten Haken auf der Namensliste.
    »Nicht pünktlich erschienen und daher abwesend der Leiter für innere und äußere Sicherheit, unser Kontaktmann zur Exekutive, Georg Heinlein«, sagte Heinz-Günther. »Da mehr als zwei Drittel der Vereinsmitglieder erschienen sind, erkläre ich hiermit die Versammlung für beschlussfähig. Alle heute getroffenen Entscheidungen sind somit bindend. Hast du das, Walter?«
    »Hab ich.«
    »Punkt eins der Tagesordnung …«
    »Ich stell en Andrach«, unterbrach Erich. Er lehnte sich zurück, wippte mit dem Stuhl und trommelte auf seinem Bauch. »Dass mir erscht aufn Schorsch wartn und der uns über die nöista Entwicklung bei dära Löwenbrückn …«
    »Antrag abgelehnt«, sagte Heinz-Günther und kam wieder auf den ersten Punkt der Tagesordnung zu sprechen.
    »Sou schnall gäht des a widder net«, fuhr Erich ihm in die Parade. »Ich brodesdier.«
    »Gut. Wer ist für den Antrag?«, rief Heinz-Günther in die

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