Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
drückte noch ein paar Tasten mehr.
Dieses Mal sprang ein Videorecorder an und zeigte die Aufnahmen vom Afrika-Festival an der Talavera. Es dokumentierte, dass der Rauschgifthandel unter den Ausstellern und den Gästen prächtig blühte. Unterlegt war es mit einem wilden Getrommel, das unter der Brücke mit einem Hall klang, als wären zwanzig Stämme bei der Arbeit.
Dazwischen das Gestöhne des ersten Bandes.
»Soll ich Ihnen helfen?«, schrie der Junge, der neben Heinlein stand und dessen hilflose Versuche, die Bänder anzuhalten, verfolgte.
»Stell das Zeugs endlich ab.«
Der Junge betätigte mehrere Schalter, und im Handumdrehen war es mucksmäuschenstill im Zimmer.
»Gut«, stöhnte Heinlein erleichtert und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Du kennst dich aber gut aus mit den Geräten.«
»Logo. Bin auch in der Ausbildung. Zu irgendwas muss das ja gut sein.«
»Du könntest mir mal helfen«, sagte Heinlein verstohlen und gab ihm das Band. »Legst du das mal ein und zeigst mir, wie ich es löschen kann?«
»Wieso wollen Sie es löschen?«
»Ist nur altes Zeugs drauf, was ich nicht mehr brauche.«
»Na gut«, sagte der Junge, legte das Band ein und fragte sicherheitshalber nochmal, ob er es wirklich löschen sollte.
»Ja«, drängte Heinlein und schaute zur Tür, ob sie von jemanden beobachtet wurden. Der Junge drückte auf die Aufnahmetaste, und das Band lief los.
»Da wird jetzt alles richtig gelöscht?«, fragte Heinlein.
»Da kann man danach nichts mehr erkennen?«
»Nö«, sagte der Junge und ging zur Tür hinaus. »Wenn Sie noch was brauchen, ich bin draußen am Automaten.«
Heinlein nickte und wartete nervös, bis das Band zu Ende war. Danach fummelte er am Recorder herum, um das Band herauszubekommen. Doch nichts rührte sich. Er nahm einen Schraubenzieher und begann, den Einfuhrschacht zu bearbeiten, als auch schon ein Techniker im Raum stand.
»Servus, Schorsch«, sagte er und stellte sich neugierig neben Heinlein. »Gehst du jetzt schon mit dem Schraubenzieher auf unsere Videorecorder los?«
»Haha, selten so gelacht«, erwiderte er ihm. »Ich hab da ein Band drin und krieg’s nimmer raus.«
»Jaja, es ist schon schlimm, wenn man’s nicht mehr rausbringt. Ich kenn des.«
»Jetzt hilf mir halt, verdammt«, fuhr Heinlein den Kollegen an.
Der Mann betätigte die entsprechende Taste, und schon fuhr die Kassette raus. Heinlein nahm sie und drückte sie dem Kollegen sofort wieder in die Hand.
»Check des mal, ob du da drauf noch was erkennen kannst. Das ist ein dienstlicher Auftrag.«
Heinlein verließ grinsend den Raum. Der Mann schob die Kassette ins Laufwerk und drückte die Start-Taste. Am Bildschirm zeigte sich aber nur ein schwarzer Film, der am oberen und unteren Rand weiße, verzogene Rillen aufwies. Der Mann stand auf, ging zur Tür und schaute den Gang entlang, ob er Heinlein noch erwischen konnte. Doch der war bereits verschwunden. Er ging an den Recorder zurück, ließ sich die Kassette ausgeben und betrachtete das Label. Darauf waren das Logo von TV Touring und die Bezeichnung »Mitschnitt: Löwenbrücke« abgedruckt. Kurzerhand griff er zum Telefon und wählte eine Nummer.
»Servus, hier ist der Benni. Gib mir doch mal den Roland aus der Technik.«
*
Kilian bog am Hofgartentor links ab. Reisebusse entließen ihre Fahrgäste. Völlig sorglos irrten sie auf der Straße herum, als hätten sie zu keiner Zeit mit Verkehr zu rechnen.
Nach wenigen Metern stand er vor der gesuchten Adresse. Er parkte und ging auf das Haus zu. Es war keine zweihundert Meter von der Residenz entfernt, und man hatte den Hofgarten im Blick. Vom Fenster im Erdgeschoss aus beobachtete ihn misstrauisch eine Frau, die in typisch fränkischer Art und Weise jede Bewegung in ihrem Revier aufmerksam registrierte. Selbstredend und ungefragt gab sie Kommentare zu allem und nichts. Meistens zu allem, was sie nichts anging.
»Was wollen Sie hier?«, rief sie Kilian nach, als er an ihrem Fenster vorbei zur Klingelleiste ging und nach dem Namen Furtwanger suchte.
»Ich suche jemanden«, antwortete er, ohne sich weiter um sie zu kümmern.
»Wen denn?«
»Jemanden.«
»Kenn ich nicht.«
»Schade.«
»Wohnt der Jemand hier?«
»So heißt es.«
»Wie heißt er denn?«
»Furtwanger.«
»Ach der.«
»Also, Sie kennen ihn?«
»Kennen ist zu viel gesagt.«
»Was dann?«
»Man hört ihn mehr.«
»Was heißt das schon wieder?«
»Sehen tut man ihn kaum, weil er nur nachts unterwegs ist. Das
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