Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
Weg.
»Morgen«, raunzte er, schob sie zur Seite und ging den Gang weiter. Sabine folgte ihm, so gut es ging, und stellte sich ihm abermals in den Weg.
»Vielleicht erst mal eine Tasse Kaffee? Die Techniker sind noch nicht so weit.«
»Dann werde ich ihnen Beine machen. Sie werden sich wundern, wie schnell es dann geht.«
Oberhammer bog um die Ecke. Der Raum der Techniker war nur noch wenige Schritte entfernt. Sabine startete ihren letzten verzweifelten Versuch, überholte ihn und stellte sich in die Tür.
»Vielleicht sollten wir erst mal Kriminalhauptkommissar Kilian nach dem Stand der Ermittlungen in Sachen ›Soko Tiepolo‹ befragen. Er hat …«
»Aus dem Weg«, brüllte Oberhammer sie an.
Sabine wich zur Seite. Als er den Raum betrat, lehnten Kilian und die Techniker über dem Regiepult.
»Nun, meine Herren«, begann Oberhammer, »dann lassen Sie mal sehen, was wir da haben.«
Kilian ging auf ihn zu. Er fasste Oberhammer an der Schulter und wollte ihn wegführen. Doch der stand wie ein Fels.
»Was sollen diese Vertraulichkeiten, Kilian?«, herrschte er ihn an. »Zeigen Sie mir jetzt, was auf dem Band ist, oder ich werde Ihnen Beine machen.«
»Herr Polizeidirektor, ich denke, es ist nicht gut, wenn Sie das sehen …«
»Das lassen Sie getrost mal meine Sorge sein. Zeigen Sie her, was Sie da haben.«
»Dann sollten wir die Kollegen aus dem Raum schicken. Ich habe Gründe.«
Oberhammer schaute in die Gesichter der Techniker, die sich krampfhaft bemühten, nicht lauthals loszulachen.
»Wenn’s sein muss. Alle raus.«
Die Techniker gingen einer nach dem anderen.
»Also, Kilian. Was ist so geheimnisvoll an der Aufnahme?« Kilian suchte nach der richtigen Antwort.
»Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Herr Kilian. Oder soll ich ewig warten?«
»Nun gut«, begann Kilian. »Die Aufnahmen sind sehr undeutlich. Die Techniker haben das Beste daraus gemacht. Restlichtaufhellung, Pixeloptimierung …«
»Genug. Zeigen Sie das Band endlich.«
»Es ist eine Person darauf zu erkennen.«
»Eben, deswegen bin ich hier.«
»Ja, aber …«
»Jetzt reicht’s. Fahren Sie das Band ab, oder Sie fliegen hochkant raus.«
Kilian betätigte die Starttaste des Recorders. Das Band lief los. Auf dem Bildschirm zeigte sich undeutlich und nahezu verdunkelt eine Person, die wahllos auf den Löwen eindrosch.
»Das sind die Originalaufnahmen und jetzt die bearbeitete Version.«
Kilian hielt das Band an und startete einen anderen Recorder. In ruckartigen Einzelbilder drehte sich der Kopf der Person in die Kamera und wurde kurz durch das Aufleuchten eines Autoscheinwerfers, der zum Zeitpunkt der Aufnahme auf die Brücke gekommen sein musste, erleuchtet. Kilian fror das Einzelbild ein, auf dem das Gesicht nun klar und deutlich erkennbar war.
Oberhammer riss die Augen auf, trat einen Schritt vor, bis er mit der Nasenspitze nahezu auf dem Bildschirm klebte. Was er sah, erschütterte ihn bis ins Mark. Vor ihm tauchte das Gesicht seines Landesvaters auf, das verschmitzt lächelte.
»Das … das ist eine Fälschung«, stotterte Oberhammer.
»Ich fürchte, nein. Aber wenn es Sie beruhigt, können wir es zu einer erneuten Überprüfung ans LKA schicken. Soll ich Ihnen noch mehr zeigen?«, pokerte Kilian. Mehr als dieses eine Bild hatten die Techniker in der Kürze der Zeit nicht zustande gebracht. Jetzt ging es um hopp oder topp!
»Um Himmels willen«, sagte Oberhammer und schaute sich um, ob sie von einem Techniker beobachten wurden. Er drückte aufgeregt mehrere Tasten, um das diskriminierende Bild vom Schirm zu nehmen. Kilian kam ihm zu Hilfe.
»Wer hat die Aufnahme gesehen?«, fragte Oberhammer nervös.
»Die Techniker natürlich, Sie und ich.«
Oberhammer dachte nach. Schließlich hatte er einen Plan, wie er das Problem lösen und seinen Landesvater von der Schmach befreien konnte.
»Gibt es noch eine Kopie von dem Band?«, fragte er.
»Nein. Das Original ist hier.«
»Gut. Vernichten. Alles vernichten.«
»Wie bitte?«
»Ich sagte: Vernichten.«
»Das ist Beweismaterial«, stellte Kilian fest. Er durfte es ihm nicht zu leicht machen.
»Sind Sie jetzt völlig verblödet, Kilian? Das ist kein Beweismaterial, sondern der Untergang. Können Sie sich vorstellen, was mit uns passiert, wenn …? Ich darf gar nicht daran denken.«
Oberhammer wandte sich ab. Er schüttelte unaufhörlich den Kopf, als er sich ausmalte, wenn sein Landesvater auf allen TV-Kanälen als Trunkenbold und Sachbeschädiger öffentlichen
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