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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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immer gerufen, er aber nicht geantwortet, was er normalerweise tat. Offenbar weil er dachte, dann verrät er sich.
    Was Menschen an Hunden begeistert, ist, dass sie sich so unglaublich freuen können, wenn man nach Hause kommt. Ist das bei Schweinen auch so?
    Ja, der Murkel kam immer an die Beine der Personen mit seiner harten Rüsselscheibe – das ist eben diese robuste, schweineartige Weise, um eine Freundschaft oder eine Bindung deutlich zu machen. Diese Verhaltensweisen sind angeboren. Wer es zu interpretieren weiß, der weiß: Das ist ein Akt der Freundschaft!
    Wenn Sie erleben, dass man Schweine trotz dieser sozialen Verhaltensweisen ganz anders behandelt als Hunde: Denken Sie, das ist ungerecht?
    Zweifellos ist das ungerecht. Wir sehen immer solche Tiere als uns besonders nahestehend und damit auch schutzbedürftig, die ein erwartetes und verständliches Verhalten zeigen. Das gilt besonders bei den Tieren, die man persönlich kennt. Wenn Tiere einen Namen haben, dann werden sie zum Individuum, dann geht man anders mit ihm um. Der Eber kriegt einen Namen, da ist auch nur einer da im Stall. Aber die weiblichen Schweine gelten nicht als Individuen, die haben nur eine Nummer, mit denen geht man anders um. Auf diese Weise schafft der Mensch die Distanz, die ihm scheinbar jeden willkürlichen Umgang mit dem Tier erlaubt. Es ist, wie es ist: Das eine Tier hat Glück und einen Namen, das andere ist »Nummer 56« und hat keinerlei Bedeutung und Wert. Wie das in der Praxis aussieht, weiß Christel Simantke. Sie berät deutschlandweit Landwirte über artgerechte Tierhaltung, vor allem bei Schweinen. Sie wird meist von Landwirten gerufen, die umsteigen und die Öko-Richtlinien umsetzen wollen. Entweder weil sie erkannt haben, dass die Öko-Schweinehaltung für Mensch und Tier die bessere Lösung ist, oder weil sie auf dem Wege der Direkt- oder Regionalvermarktung ihrer Produkte mit Hofbesuchen rechnen müssen, da machen sich gequälte Schweine nicht so gut. Trotzdem: Bislang leben in Deutschland nur ein bis zwei Prozent der Schweine in artgerechter Haltung. Wenn Christel Simantke zu einem Einsatz gerufen wird, ist das also eigentlich ein Grund zum Jubeln – schließlich kann sie dazu beitragen, dass es den Tieren in Zukunft besser geht. Doch oft genug versetzt ihr das, was sie vorfindet, zunächst einen Schock.
    Haben Sie bei der Besichtigung von Schweineställen schon mal etwas erlebt, das Ihnen so richtig die Sprache verschlagen hat?
    Ja bzw. den Atem genommen: in engen, dunklen und schlecht belüfteten Mastställen mit Vollspaltenböden. Beim Betreten des Stallabteils schlägt sich schon das Ammoniak auf die Atemwege. Auch bei nur 30 Minuten »Besichtigung« bleibt mir das Kratzen im Hals, die brennenden Augen und das Kopfschmerzgefühl noch stundenlang erhalten – und erinnert mich stets an die Haltungsbedingungen so gut wie aller Mastschweine in unserem Land, den Tieren, die weitaus bessere Nasen haben als Hunde, wie schrecklich muss das Leben eines Schweins sein, das ständig die NH 3 -Dämpfe einatmen und zudem in sehr enger räumlicher Nähe zu seinen eigenen Ausscheidungen leben muss – als eigentlich sehr reinliches Tier, das seinen Schlafplatz in größtmöglicher Entfernung zum Kot- bzw. Harnbereich anlegen möchte. Auch Mülltonnen, die den Inhalt an toten Ferkeln nicht mehr fassen konnten und überquollen, sind mir bildlich über Jahre erhalten geblieben. Oder Sauen, eingepfercht in Abferkel-Kastenstände, bei völliger Dunkelheit, nassem Betonboden mit Fäkalien angereichert, ohne einen Halm Stroh – die armen Sauen! Und hier sollen dann Ferkel zur Welt kommen! Oder Schweine im Kot-Matsch-Gemisch, draußen bei minus 15°C ohne ausreichend trockenen Rückzugsbereich.
    Woran merkt man denn, dass Schweine leiden?
    Das geht von »sich nicht wohl fühlen« bis zur Apathie. Die Sauen haben Verhaltensstörungen, sie wenden sich ab, sind teilnahmslos und trauern.
    Welchen Eindruck haben Sie von den Menschen, die täglich das Leiden der Schweine erleben: Sind die abgestumpft?
    Ja, sicher sind Menschen, die täglich in Intensivtierhaltungen arbeiten müssen, abgestumpft. Sie sind an die Umstände gewöhnt und erleben sie vermutlich als »normal«. Anders würden sie das gar nicht aushalten können.
    Doch es gibt einen neuen Trend: Immer häufiger wird die Frage nach der Individualität und Persönlichkeit von Tieren gestellt. Wissenschaftler untersuchen vermehrt, was sie empfinden, und wollen wissen, worunter

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