Tier zuliebe
dieses Argument akzeptiert.
In der Küche packe ich in Ruhe meine Einkäufe aus. Drei randvolle Tüten für schlappe 26 Euro. Selten zuvor war Ernährung so billig. Was nicht daran lag, dass ich vorher so wahnsinnig viel Fleisch gegessen hätte, sondern eher daran, dass das wenige eben Qualitätsfleisch vom Metzger sein musste. Natürlich fällt der Einkauf dann teurer aus, als wenn man abgepackten Formschinken mit Transglutaminase-Kleber oder Billigfleisch ungeklärter Herkunft für € 2,99 das Kilo in den Einkaufswagen wirft. Für diejenigen, die so einkaufen, ist der Fleischverzicht aus ökonomischen Gründen also leider kein Argument …
Eingekauft hatte ich Obst (Melonen, Grapefruit, Kiwis – ökologisch korrekt gewesen wären Äpfel, Birnen und Erdbeeren, eben Früchte der Saison aus lokalem Anbau, aber ich will mich mit der neuen Ernährung nicht gleich überfordern) und Gemüse (Spargel, Pilze, Tomaten). Außerdem Milch, Buttermilch, körnigen Frischkäse und Mozzarella. Meine ersten Alternativen zum Fleisch. Auch die Maultaschen sind heute natürlich die mit Gemüse gefüllten.
Dabei wurden die typischen, mit Fleisch gefüllten Maultaschen früher sogar von Mönchen als »vegetarische Kost« verkauft, die man auch getrost am fleischlosen Freitag essen durfte. »Herrgottsb’scheißerle« nennt man sie im Schwäbischen. Der Legende nach sollen sie im schwäbischen Kloster Maulbronn von einem Laienmönch mit Kochambitionen erfunden worden sein. Der hatte die Idee, zu Kräutern, Spinat, Brot und Eiern auch Fleisch zu mischen. Damit es keiner sah, überzog er die Mischung mit Nudelteig – und hatte damit innerhalb und außerhalb der Klostermauern enormen Erfolg. Ein klassischer Fall von Doppelmoral, ebenso wie die Ernennung des Bibers zum Fisch oder auch dem fleischlosen Freitag, an dem aber Fisch gegessen werden darf, als wäre er kein Lebewesen.
Während ich mir darüber Gedanken mache, klingelt mein Handy: Die Ergebnisse meiner Blutuntersuchung sind da! Zwanzig Minuten später sitze ich gespannt in der Praxis meiner Hausärztin. Erhöhter Cholesterinspiegel. Aber: Das Verhältnis des schädlichen LDL zum gutem HDL ist sehr günstig und somit der Gesamtquotient gut. Die Ausgangssituation für meine »Kostprobe« ist also nicht schlecht. Und vielleicht kann aus gut ja noch hervorragend werden?
Wie ich einmal eine Maultasche nicht probiere
Eigentlich soll es eine unterhaltsame Planet Wissen -Sendung über Nudeln werden. Besonders schön für mich als begeisterten Pastafan. Doch plötzlich wird die Aufzeichnung zur großen Herausforderung: Das Drehbuch sieht vor, dass Sterneköchin Cornelia Poletto Maultaschen mit einer Füllung aus Roter Bete und Labskaus zaubert und, natürlich, dass die Moderatoren mit ihr an einem gedeckten Tisch sitzen und die Maultaschen kosten. So ein Essen am Ende einer Sendung ist normalerweise ein Highlight, auf das wir Moderatoren uns riesig freuen. Aber was mache ich Vegetarierin nachher mit den Maultaschen?
»Du, Maultaschen sind für mich eigentlich tabu«, sage ich dem Regisseur. Seine Reaktion bringt mich der Antwort auf die Frage wieder ein Stückchen näher, weshalb viele Vegetarier keine großen Worte über ihre Motive verlieren, warum viele einfach sagen: »Es schmeckt mir nicht.« Es ist schlicht der einfachste Weg, Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Man muss sich nicht rechtfertigen, denn über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über alles andere schon. Ungläubig, fast schon entsetzt, entgegnet also der Regisseur: »Wie, du bist Vegetarier? Das geht aber nicht!«, und ich ahne, dass ich so einfach nicht davonkommen werde. Meine Antwort auf seine nächste Frage: »Seit wann, um Gottes willen, isst du denn kein Fleisch mehr?« hätte ich wohl besser abwägen sollen. Als ich nämlich wahrheitsgemäß von ungefähr einem Monat spreche, habe ich schon so gut wie verloren. »Ach so. Dann ist es ja kein Problem.« Ganz nach dem Motto: Wenn du es vor einem Monat noch essen konntest, dann geht es jetzt auch noch, zier dich gefälligst nicht so!
Frischgebackene Vegetarier haben es eindeutig schwerer als frischgebackene Nichtraucher. Kein Mensch würde einen solchen dazu auffordern, doch noch einmal einen Zug zu nehmen, weil es sich gerade anbietet. Aber ich lasse mich nicht von meinem Weg abbringen. Nach langen Überlegungen einigen wir uns auf diesen »Notfallplan«: Am Ende der Sendung werde ich die Maultasche mit Messer und Gabel bearbeiten und dann wird mir noch
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