Tier zuliebe
immer dann zum Nachdenken bringt, wenn ich in den Discountern mal wieder Menschen sehe, die einen vollgepackten Wagen vor sich herschieben mit kiloweise eingeschweißtem Billigfleisch. Leider scheint sich auch der Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und der äußerlichen Erscheinung zu bestätigen. Wie wäre es mit einer Einkaufswagenpolizei, die kurzerhand die Fleisch- und Wurstberge aus dem Wagen entfernen und ihn mit Obst, Gemüse und Müsli füllen würde? Eine nette Vorstellung, aber ich will ja nicht missionieren.
Die Ärzte würden diese Idee allerdings sicher unterstützen. Denn wir wollen uns mal vor Augen halten, wie sehr die Gesundheit unter übermäßigem Fleischkonsum leidet: Er kann Gicht auslösen, die Harnsäure im Blut, der Cholesterinspiegel und der Blutdruck steigen. Außerdem ist Fleisch schlecht für all diejenigen, die unter Nieren- und Lebererkrankungen leiden. Manche Ernährungswissenschaftler sagen sogar, man sollte nicht mehr als 350 Gramm Fleisch pro Woche essen. Wenn man mal in Rezepten nachliest, sieht man, dass in der Regel mit rund 150 Gramm Fleisch pro Person für ein Essen kalkuliert wird. Das heißt also maximal zwei Mal Fleisch pro Woche – natürlich ohne zusätzliche Wurst zum Frühstück oder Abendessen, denn sonst kommt man auf deutlich mehr. Auch die »Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.« empfiehlt noch circa 300 bis 600 Gramm Fleisch wöchentlich. Der »Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie e.V.« richtet sich allerdings nach anderen Mengen: »Gichtpatienten sollten pro Tag nicht mehr als 100 bis 150 Gramm Fleisch essen« heißt es von dieser Stelle. 16 Das klingt im ersten Moment wie eine gut gemeinte Warnung vor zu viel Fleisch. Doch zusammengerechnet ergibt diese Richtlinie bis zu 1050 Gramm pro Woche für Menschen mit Gicht – dreimal mehr, als manch ein Ernährungswissenschaftler gesunden Menschen empfiehlt. Seriöse Informationspolitik für den Verbraucher sieht anders aus. Hier wird wohl um jeden Fleischesser gekämpft.
Die »Nationale Verzehrstudie II« des Max Rubner Instituts 17 , eine Erhebung der Ernährungssituation der Bevölkerung, kam 2008 zu der Erkenntnis: Der Fleischkonsum sinkt mit steigendem Bildungsniveau und Einkommen. Die Wohlhabenden und Diplomierten essen am wenigsten Fleisch, während in den bildungsfernen und in ärmeren Haushalten munter weiter Schnitzel und Wurst verspeist werden. »Fleisch droht zum Unterschichtsprodukt zu werden«, sagt auch Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen. Auf der anderen Seite gibt die Feststellung Anlass zur Freude, dass die fleischlose Lebensart gerade bei den Jungen und Erfolgreichen zur Mode wird. Auch wenn sich nicht genau beziffern lässt, wie viele Vegetarier es derzeit in Deutschland gibt, so ist doch die Tatsache vielversprechend, dass es die Gebildeten und Jüngeren sind, also die »Trendsetter«, die sich vegetarisch ernähren. Dadurch ist es gar nicht abwegig, dass sich diese Lebensart, wenn auch nicht immer in ihrer Reinform, langfristig in weiten Teilen der Gesellschaft durchsetzen wird.
Soweit meine Recherche, während draußen weiter gegrillt wird. Endlich kommt dann auch Nicolas mit einer kleinen Auswahl vegetarischer Produkte auf dem Teller. »Leider war aber gerade der Feta so lecker …«, erklärt er mir die Tatsache, dass davon nur noch ein kleines Stückchen für mich übrig geblieben ist. Er stellt den Teller leicht schuldbewusst auf meinem Schreibtisch ab und geht wieder in den Garten. Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen und das archaische Lebensgefühl, das so ein Grillfeuer im Freien entfacht, erreicht seinen Höhepunkt. Ich betrachte das Treiben von oben ein bisschen wehmütig. Musik, Gelächter, man sitzt nah am Feuer, denn noch ist es kühl am späteren Abend. Wie sieht das gemütlich aus: die Glut, die Stimmung. Nun ja. Ich bemühe mich, meine in Alufolie eingewickelte, mittlerweile kalte Mischung aus Paprika, Zucchini und Tomate und das kleine Stückchen Feta zu genießen. Immerhin freue ich mich, dass ich für mich eine Antwort auf die plumpen Marketingstrategien der Fleischwarenindustrie gefunden habe. Und so wie mir geht es immerhin – nach Angaben des Vegetarierbundes – sechs Millionen Vegetariern in Deutschland. Das ist ein großartiges Gefühl: Ich bin dabei!
Letztlich hat mich die spontane Grillaktion eines gelehrt: Meine Vorbereitung auf das Projekt »fleischlos leben« war mangelhaft.
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