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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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weißt, wie die Verwesung von Fleisch abläuft. Aber dann war das wohl falsch gedacht?
    Ja, mit der Verwesung hat das überhaupt nichts zu tun. Verwesung finde ich schön – die ganzen Verwesungsstadien sind total interessant und spannend. Ich sehe da den Kreislauf des Lebens.
    Wenn du im Supermarkt durch eine Fleischabteilung stiefelst (man wird da ja manchmal automatisch durchgeschleust), empfindest du da denn beim Anblick von Fleisch den Schmerz, den das Lebewesen empfunden haben muss?
    Nein, gar nicht. Aber ich empfinde das auch nicht, wenn ich eine menschliche Leiche sehe. Das ist für mich einfach eine Leiche. Oder ein Leichenteil.
    Okay, ich bin eindeutig auf dem Holzweg. Aber du hast besondere Erlebnisse mit Tintenfischen, mit denen du geforscht hast. Sind es diese Erfahrungen, die dich davon abhalten, die Tiere zu essen?
    Total. Also es ist das, was die Leute vom Land manchmal auch haben. Da wurde der süße Lieblingshase irgendwann geschlachtet und seitdem essen sie kein Kaninchen mehr. Und bei mir ist das genauso. Alle, die damals mit den Tintenfischen gearbeitet haben, wollten danach keine Tintenfische oder Meerestiere mehr anrühren. Wenn du mit diesen hochintelligenten Tieren monatelang zusammengearbeitet hast, dann willst du natürlich deinen Kumpel nicht aufessen.
    Mal zur Praxis: Kannst du in ein Restaurant gehen und einfach eine Gemüsesuppe bestellen, ohne genau zu recherchieren, ob vielleicht doch Fleischbrühe drin steckt?
    Ja, aber das ist einfach. Wenn du z. B. beim Inder bist oder beim Türken, dann kannst du einfach fragen, weil die sowieso das aus kulturellen oder religiösen Gründen gut verstehen können. Da hat es noch nie Probleme gegeben. Aber wenn da jetzt einer Fleischbrühe ins Essen kippt, dann wär’s mir auch egal. Ich würde dem keinen Vortrag drüber halten. Ich will da eigentlich auch überhaupt nicht drüber reden. Außer jetzt mit dir oder in einer Diskussion. Aber im Alltag will ich das gar nicht besprechen mit Freunden oder so. Ich habe auch keinen missionarischen Eifer. Wenn jemand meint, er könne mich ärgern damit, dass er Fleischbrühe ins Essen kippt, dann kann ich nur sagen: Alle, die schon mal im Restaurant gegessen haben, haben garantiert schon mal Spucke vom Koch gegessen, weil er das halt witzig fand. Also was soll’s. Warum sich darüber Gedanken machen?
    Die Fährte war falsch. Maden-König Mark Benecke ekelt sich nicht vor Fleisch, obwohl er beruflich Dinge tut, bei denen jedem von uns kotzübel würde. Und somit ist meine Hoffnung, ich würde mich von seinen Ekelgefühlen durch widerliche Schilderungen von Zersetzungs- und Fäulnisprozessen anstecken lassen können, zerplatzt wie eine Seifenblase. Natürlich hätte er mir diese unappetitlichen Prozesse trotzdem beschreiben können – doch wenn jemand voller Begeisterung davon erzählt, ist es vermutlich nicht das, was weiterhilft, wenn man Ekel kultivieren möchte. Aber wer weiß: Vielleicht entstehen die Ekelgefühle ja noch.

Vegetarier auf sozialer Wildbahn
    Erst mal muss ich mir überlegen, wie ich mich am nächsten Tag verhalten werde. Da bin ich nämlich bei einem guten Freund eingeladen, der zum Abendessen Gemüse und Hühnerschlegel für 15 Leute plant. Alles soll zusammen auf einem Backblech im Ofen gegart werden, so weit habe ich mich schon informiert. Gemüse neben Fleisch. Soll ich darauf pochen, dass ich eine »Extrawurst« bekomme? Oder erlaube ich mir, das Gemüse zu essen, obwohl es mit Fleisch in Kontakt gekommen ist? Meine Güte! Eigentlich wollte ich doch einfach nur ein Zeichen setzen: Fleischkonsum vermeiden, Verzicht üben. Ich wollte etwas für Tiere tun, sie als meine Schützlinge betrachten und gleichzeitig etwas für unsere Umwelt tun.
    Würde mich in Zukunft noch irgendwer einladen, wenn ich ein Stück Aubergine oder Paprika, das unwillentlich angelehnt an einem knusprigen Hühnchenschlegel auf dem Backblech lag, mit Verachtung strafe? Wenn ich allen missmutig beim Essen zusehe, man mir den Hunger aus zehn Meter Entfernung ansieht und ich mich dann, gequält lächelnd, am Ende des Abends verabschiede mit den Worten: »Hat echt gut gerochen.« Vielleicht wäre das doch ein bisschen zu viel des Guten. Da ich meinen nicht-vegetarischen Freundeskreis gerne behalten möchte, brauche ich den Rat einer Benimm-Expertin. Schon die Frage, ob man sich vor einer Essenseinladung ungefragt als Vegetarier outen soll oder ob man das Essen lieber auf sich zukommen lässt und notfalls Fleisch und

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