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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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nachgefragt, was in dem Buttermilchdessert versteckt sein könnte. Gelatine – ist die nicht fast überall drin? Hätte ich auch schon lange keinen Kuchen mehr essen dürfen? Oder die leckeren Crèmes, die es in der Kantine gibt?
    Eine Kollegin machte mich kürzlich aufmerksam auf das Buch Pig 05049 . Die niederländische Designerin Christien Meindertsma dokumentiert in diesem Bildband, was alles aus einem einzigen Schwein hergestellt werden kann: Bestandteile für 185 Produkte holt man aus dem armen Schwein mit der Nummer 05049. Meindertsma hat die Verwertungskette des Schweins verfolgt und alle Produkte fotografiert, in denen Teile des Schweins enthalten sind, also Haut, Knochen, Fleisch, innere Organe, Blut und Fett. So wird zum Beispiel die aus der Haut gewonnene Gelatine verwendet, um Lakritz, Kaugummis, Marshmallows, Tiramisu, Erdbeerkuchen, Bier, Wein oder Fruchtsaft herzustellen. Der Knochenleim (Kalziumphosphat) ist in Streichhölzern, Puzzleteilchen, Schaumbeton, Patronenkugeln enthalten. Und die inneren Organe von Schwein 05049 wurden zu Trockentierfutter gemacht oder kommen in der Medizin zum Einsatz: als Herzklappen oder Blutgerinnungsmittel (Heparin).
    Und jetzt? Es scheint, als könnte man dem Schwein nicht entkommen, selbst wenn man möchte. Fleisch, Fisch und Gelatine sind offenbar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wo soll man da anfangen, wo aufhören, wenn man ein korrekter Vegetarier werden möchte?

Ekel
    Für Vegetarier ist es ein wahres Problem, dass oft nicht direkt zu erkennen ist, ob das Essen auf dem Teller Zutaten enthält, die aus Tieren hergestellt wurden. Ich sitze bei meinem Vater im Garten und esse, nichts Böses ahnend, seinen hausgemachten Kartoffelsalat. Der Teller ist schon halb leer, als er so nebenbei bemerkt: »Ich habe den Kartoffelsalat ausnahmsweise mal nicht mit Fleischbrühe gemacht.« Oje, um ein Haar wäre ich in die Falle getappt! Ich frage mich: Wie weit muss der Ovo-Lacto-Vegetarier eigentlich gehen, wenn er zum Essen eingeladen ist? Muss er wirklich vor jedem Bissen Recherchen anstellen?
    Hilfreich wäre sicherlich ein ausgeprägter Ekel vor Fleisch, über den ich aber bis heute nicht verfüge. Hätte ich ihn, dann würde auch ich jede Mahlzeit zum Rechercheobjekt machen, als ginge es um eine Doktorarbeit − ich habe das schon häufig bei meinem Bekannten M. beobachtet, einem Vegetarier durch und durch. Nur einmal hat er nicht rechtzeitig nachgefragt: Wir waren in einem chinesischen Restaurant. M. hatte sich für eine Gemüsesuppe entschieden und entgegen seiner Gewohnheit nicht nachgehakt, wie diese zubereitet werden würde. Wir anderen um ihn herum aßen »Ente süßsauer« oder »Hähnchen Chopsuey« und M. löffelte mit Genuss seine Suppe. Als die Bedienung an unseren Tisch kam, um noch eine Flasche Wasser zu bringen, fragte M. doch noch: »Da ist doch keine Fleischbrühe drin, oder?« Die Bedienung lächelte freundlich. »Doch, doch! Mit Fleischblühe!«, verkündete sie stolz. M. wurde erst kreidebleich und hielt sich die Hände vor den Mund, dann sprang er auf und verschwand für eine viertel Stunde auf der Toilette.
    M.s Reaktion zeigt: Ekel vor Fleisch erleichtert den Verzicht nicht nur, er macht ihn – und damit das Wissen um die Zutaten jeder Mahlzeit – zur absoluten Notwendigkeit. Nachdem ich ihn von mir aus einfach nicht verspüre, vielleicht könnte ich mir den Fleischekel irgendwie aneignen? Ich habe gehört, dass Mark Benecke, der als »Maden-König« bekannte Kriminalbiologe und Forensiker, Vegetarier ist. Er untersucht regelmäßig Fliegen und Maden, die sich in verwesenden Leichen eingenistet haben, um so Todeszeit und -umstände zu ermitteln. Klarer Fall, denke ich, der Mann weiß, wie ekelig totes Fleisch sein kann, und rufe ihn kurzerhand an.
    Mark, gibt es für dich eigentlich einen Unterschied zwischen tierischem und menschlichem Fleisch?
    Nein, überhaupt keinen.
    Dann isst du sicher kein Fleisch, weil du dich davor ekelst?
    Nein. Mit Ekel hat das weniger zu tun – ich ekle mich nicht vor Fleisch. Einerseits ist es schon so, dass ich an Tatorte denken muss – das hat mit dem Blut zu tun oder mit den Schnitten. Aber ich finde es einfach hirnverbrannt, Fleisch zu essen. Wenn ich mir die ganze Industrie dahinter angucke … Es ist unnötig, es kostet eine Riesenenergie. Was mich genauso nervt, ist, dass sich Fleischesser dauernd entschuldigen, aber weiterfuttern!
    Ich dachte, dass du Fleisch ablehnst, weil du als Biologe am besten

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