Tier zuliebe
Kirchenvertreter erfahren, was er von der industriellen Tierhaltung hält, von Tiertransporten und dem Leid, das Tiere täglich erfahren müssen, weil Menschen sie essen wollen. Ich rufe ihn an.
Pfarrer Broch, mich interessiert, was Sie als Kirchenmann von unserem Umgang mit Tieren halten, deren Fleisch wir essen.
Es ist eine schreckliche Katastrophe! Die Tiertransporte, die Massentierhaltung, man kann anfangen, wo man will – es ist schlichtweg grauenhaft, was mit den Tieren passiert. Und so was kann nicht gut gehen. Es ist eine totale Verachtung und Missachtung unserer Mitgeschöpfe und der Schöpfung.
Wie kann man gegen diese Missachtung der Tiere vorgehen?
Da bin ich relativ hilflos. Man könnte höchstens Petitionen an die Politik richten. Man müsste Botschafter finden. Prominente, zum Beispiel Schauspieler, so wie damals Brigitte Bardot, die sich für die Tiere einsetzen. Es geht ja nicht darum, dass wir jetzt alle Vegetarier werden. Aber es geht darum, dass Tiere artgerecht gehalten werden müssen. Und auch wenn sie geschlachtet werden, muss dies artgerecht sein.
Haben Sie ein Beispiel dafür, wie »artgerechte« Schlachtung aussieht?
In meinem Verwandtenkreis hat jemand eine Metzgerei und dort holen sie die Tiere nur aus bestimmten Ställen, von denen sie wissen, dass sie auch auf der Weide stehen dürfen. Bevor die Tiere geschlachtet werden, übernachten sie in einem eigenen Stall bei der Metzgerei. Das deshalb, damit sie erst mal wieder zu sich kommen, weil sie ja spüren, dass was passiert … das klingt natürlich auch grausam.
Bemerken Sie denn in der Kirche ein Umdenken, wenn es um den Umgang mit »Nutztieren« geht?
Ja, das merke ich. Da gibt es ein Umdenken. Die Zeiten sind endgültig vorbei, wo kein Baum in der Theologie rumstehen durfte und kein Huhn durch die Frömmigkeit tappen. Es gibt eine neue Sensibilität. Man denkt jetzt mehr schöpfungstheologisch nach. Vorher war es immer nur: Mensch – Gott. Also »ich und mein Herrgott«.
Wie entstand dieses Denken in der christlichen Religion, das nur auf den Menschen fixiert war und Tiere außer Acht ließ?
Das Christentum beerbt zwei Kulturkreise. Einmal das Judentum. Das war keine Naturreligion. In der Wüste musste man ums Leben kämpfen, um Wasser. Und dann beerbt das Christentum das Römische. Für die Römer, Cicero z. B., waren die Tiere nichts. Einfach nur Gebrauchsgegenstände. Und dann gibt es eben auch große Theologen in der Kirche, z. B. Augustinus oder Thomas von Aquin, die hatten keine schöne Antwort auf die Tiere. Vieles damals war schöpfungsunfreundlich.
Ein hoffnungsvoller Ansatz war er zumindest, der erste Kirchentag für »Mensch und Tier« im Jahr 2010. Leider war er nicht gut besucht, von 5000 erwarteten Besuchern kamen nur 1000. Aber das Wetter war schlecht und die Veranstalter wollen sich nicht entmutigen lassen und sprechen von »einem Samenkorn, das wächst«. Bleibt zu hoffen, dass sie Recht behalten werden und sich die Kirche künftig noch mehr auch für Tiere verantwortlich sieht.
TEIL 4
Herbst der Enthaltsamkeit
Eine Woche Urlaub am Lago Maggiore: wandern, lesen und schlemmen – das ist der Plan. In unserem kleinen Hotel kocht la Mamma höchstpersönlich frisch Erjagtes und Gesammeltes aus Wald und Wiesen. Hier ist Halbpension eine wahre Herausforderung für eine »junge« Vegetarierin. Nicht umsonst sind die Hauptanliegen der Gäste um diese Jahreszeit, neben den herbstlichen Wanderungen, die abendlichen opulenten Gaumenfreuden. Deswegen sind auch wir hier.
Die familienbetriebene Villa liegt hoch über dem Lago in der kleinen Ortschaft Ghiffa und in meinem Reiseführer wird ihre Küche besonders gelobt. Aus einer fünfseitigen Speisekarte können wir nach Belieben drei Gänge zusammenstellen und jeden Tag aufs Neue kombinieren und auswählen. Natürlich ist es das Ziel eines jeden Gastes, einmal die Speisekarte rauf und runter zu probieren, um am Ende der Woche sagen zu können, ob nun die »Ravioli di Cinghale al burro e salvia con Parmiggiano Reggiano« (Wildschweinravioli) oder die »Costine di Cervo con Funghi Porcini« (Hirschkoteletts) die beste Wahl waren. Bei rund 30 Gerichten fällt es wirklich schwer, sich zu entscheiden. Es sei denn, man ist Vegetarier. Dann ist die Sache ganz einfach. Nicht einmal eine Hand voll der angebotenen Köstlichkeiten ist vegetarisch. Irgendwie habe ich meinen Selbstversuch zeitlich ungünstig gelegt − ich hätte ja damit auch bis nach der Wildsaison des Piemont
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