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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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Zustände gehabt bei der Nahrungssuche – Nüsse, Früchte und Pflanzen in Hülle und Fülle –, hätte der Mensch dann überhaupt zum Fleisch gegriffen und hätte er sich ohne Fleisch genauso weiterentwickeln können, wie er es mit getan hat?
    Ich denke, dass wir grundsätzlich zu wenig darüber wissen. Eine der Haupthypothesen sagt ja, dass unsere Gehirnvergrößerung erst möglich war durch einen großen Anteil an tierischem Eiweiß in der Nahrung. Ob das jetzt normales Fleisch war oder Meeresgetier oder Insekten – jedenfalls hochenergetisches Eiweiß –, das sei mal dahingestellt. Aber wir haben einen Schub in der Gehirnvergrößerung vor ca. 2,5 Millionen Jahren gegenüber den Australopithecinen, die sehr vergleichbar sind mit den heutigen Menschenaffen. Dennoch ist vieles in diesem Bereich Spekulation, wir haben nur Indizien und können nicht einmal genau sagen, wie hoch der Fleischanteil in der Nahrung der Urmenschen war. Ich sehe eher als Vorteil der Fleischnahrung, dass man da ein Energiedepot anlegen konnte. Das schaffte wiederum die Möglichkeit, andere Dinge zu tun, statt ständig nach Nahrung zu suchen.
    Heute brauchen wir ja kein Energiedepot mehr – ganz im Gegenteil. Dennoch greifen wir immer wieder zu Fleisch.
    Das ist vielleicht ein Urinstinkt, der dazu führt, dass wir ein Energiedepot anlegen wollen. Genauso wie beim Fruchtzucker. Man wird ja gelockt durch Süßigkeiten. Hier liegt der Ursprung sicher auch in den Lebensgewohnheiten der Urmenschen. Wenn eine Urmenschenhorde auf Bäume getroffen ist, die gerade überreife Früchte trugen, dann haben die sich da drauf gestürzt und womöglich so viel gegessen, bis es ihnen übel wurde. So konnte man auch Reserven anlegen. Das ist zumindest eine Erklärung, warum wir heute manchmal kein Maß haben. Und beim Fleisch muss man sehen, dass Fett ja auch ein Geschmacksträger ist. Es reizt dazu, mehr zu essen. So hat sich der Organismus möglicherweise dahin adaptiert, dass er den Geschmack oder Geruch wahrnimmt und versucht, so viel reinzustopfen, wie es nur geht. Was aber nicht heißt, dass wir das brauchen. Es ist nicht nötig, wenn wir dem Körper auf andere Art und Weise genügend Energie zuführen.
    Woher wissen wir das alles heute überhaupt?
    Nun, die Nahrung wird mit den Zähnen zerkaut und die verschiedenen Bestandteile der Nahrung hinterlassen unterschiedliche Spuren auf den Zahnoberflächen, die wir heute mikroskopisch und mit Hilfe moderner Computerverfahren sehr genau untersuchen können. Auch chemische Analysen der fossilen Zahnsubstanz helfen uns, einiges über die Diät unserer Vorfahren zu erfahren.
    Wenn das Gespräch mir eines verdeutlicht hat, dann bestimmt, dass vieles in der Menschheitsgeschichte spekulativ ist oder eine Frage der Definition. Und ich möchte abschließend einen Ausdruck aus diesem Gespräch mit Dr. Kullmer hervorheben: »der opportunistische getriebene Urmensch«. Wollen wir uns wirklich mit dem vergleichen?
    Und der Vollständigkeit halber will ich auch noch auf folgende Rechtfertigung der Fleischesser eingehen, die mich mehr und mehr auf die Palme bringt: dass doch auch Tiere andere Tiere essen. Dazu sei noch einmal das Buch Vegetarisch leben zitiert: »Gerade der Mensch ist aufgefordert, ethische und göttliche Prinzipien über eine kurzsichtige Genusssucht zu stellen. Dadurch kann er seine ›Überlegenheit‹ gegenüber dem Tier zum Ausdruck bringen und nicht, indem er es ausbeutet und schlachtet.« Auch der amerikanische Naturphilosoph Henry David Thoreau hat so gedacht: »Der Fleischverzicht gehört zum Fortschritt der Menschheit wie die Überwindung des Kannibalismus.« Im Übrigen finde ich es geradezu absurd, sich ausgerechnet beim Fressverhalten mit Tieren auf eine Stufe zu stellen. Ganz zu schweigen davon, dass viele der Tiere, die wir essen, selbst gar keine Fleischfresser sind.
    Meine Kollegin und Freundin S., Tochter einer badischen Großmetzgerfamilie, hat mir in der Vergangenheit oft von »gutem« Fleisch vorgeschwärmt. Fleisch aus dem eigenen Betrieb statt Einschweißware aus dem Supermarktregal. Seit ich nun auf den Spuren des Vegetarismus wandele, reden wir immer mal wieder über neue Erkenntnisse, meine Entdeckungen und Erfahrungen und sie liest sich auch manchen Artikel durch, den ich ihr gebe. Als wir eines Abends zusammensitzen, reagiert S. für mich sehr überraschend auf einen Bericht über den Bolzenschuss bei Rindern:
    Ich habe mich immer damit getröstet, dass eine Fachmetzgerei mit

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