Tiere
Boden.
«Was soll das werden?», wollte das Rothaarige wissen. Die anderen sagten nichts. Sie kannten dieses Spiel schon. Ich schob ein Ende der Wäscheleine unter dem Gitter des Schwarzen hindurch und legte das andere in das Abteil daneben, wo das alte Weib drin war. Das Schwarze packte die Leine und machte sich bereit. Das alte Weib nahm sein Stück und hielt es schlaff in der Hand.
«Wenn ich los sage, könnt ihr ziehen», sagte ich. Aber das musste ich ihnen eigentlich nicht mehr sagen. Sie kannten die Regeln. Einmal hat eins – ich habe es nicht mehr – sofort losgelegt und die Schüssel in sein Abteil gezogen, ehe ich etwas machen konnte. Ich habe es mit Wasser übergossen und die nächsten Tage nicht gefüttert. Seitdem haben sie es nicht mehr gewagt.
Ich wartete ein bisschen und tat dann so, als würde ich los sagen, sagte es aber nicht. Das Schwarze begann zu ziehen und hatte die Schüssel schon fast in seinem Abteil, ehe ich auf die Wäscheleine trat. «Fehlstart», sagte ich und stellte die Schüssel wieder in die Mitte. Ich hörte, wie das Rothaarige «O mein Gott» murmelte, und dann sagte ich ganz schnell: «Los!»
Die Partie war eine ziemlich klare Angelegenheit. Das alte Weib schaute nur zu, wie ihm die Wäscheleine durch die Finger glitt. Dann, als hätte es erst jetzt kapiert, was vor sich ging, versuchte es, das Ende noch zu erwischen, doch das Schwarze zog einfach weiter. Es gewann ohne Müheund gackerte, als es das Hundefutter durch die Lücke am Boden in sein Abteil gezogen hatte.
«Du bist krank», sagte das Rothaarige. Ich machte die nächste Schüssel fertig und steckte ein Ende der Leine wieder ins Abteil des alten Weibes. Dieses Mal packte es richtig zu. Es sah ein bisschen verängstigt aus, und als ich das andere Ende ins Abteil des Dicken steckte, machte es ein Gesicht, als würde es gleich heulen. «Hör auf mit diesen miesen Spielchen!», schrie das Rothaarige.
«Halt’s Maul, Schlampe», sagte das Dicke, aber das alte Weib ließ die Leine fallen.
«Festhalten», sagte ich.
«Hör auf», wiederholte das Rothaarige. Das alte Weib guckte uns beide an.
«Futter», lockte ich es, und da nahm es die Leine wieder in die Hand.
Das Dicke gackerte. «Keine Chance», meinte es. «Ich hab schon gewonnen!»
«Sei wenigstens fair!», schrie das Rothaarige mich an. «Welche Chance hat sie denn?»
«Kümmer dich um deinen Kram!», rief das Dicke. Es war total aufgeregt und konnte es kaum erwarten.
«Fertig …», sagte ich. «LOS!»
Das Dicke zog mit voller Kraft an der Leine und fiel sofort hintenüber. Ich hatte sein Ende der Leine nämlich bloß um die Schüssel gewickelt, aber nicht festgebunden. Das alte Vieh saß eine Weile nur da, als würde es nicht verstehen, was passiert war. Dann rief das Schwarze: «Na los, zieh!», und es zog zaghaft an der Leine. Als es sah, dass die Schüssel näher kam, zog es immer schneller, bis sie in seinem Abteil war. Sofort nahm es eine Handvoll Futter und schlang esgierig runter. Es machte eine totale Schweinerei dabei. Echt ekelhaft.
Das Dicke rappelte sich auf und rieb sich den Kopf. «Das ist ungerecht!», meinte es. «Das kannst du nicht machen!»
Ich schaute es an. «Doch, das kann ich», sagte ich, und es schaute belämmert zu Boden.
«Mein Gott, er lässt euch hier wie dressierte Hunde rumspringen, verdammt nochmal!», rief das Rothaarige. Es funkelte mich an und keifte: «Glaub ja nicht, dass du mich auch dazu kriegst! Ich werde deine kranken kleinen Spielchen nicht mitmachen!»
Ich sagte nichts. Es war egal, ob es mitspielte oder nicht. Ich nahm die nächste Schüssel, vergewisserte mich, dass es die richtige war, und band die Wäscheleine dran. Dieses Mal wirklich. Das eine Ende gab ich wieder dem Dicken, das andere legte ich ins Abteil des Rothaarigen. «Du kannst mich mal», sagte es und schaute die Leine nicht einmal an.
Es wollte noch etwas sagen, aber ich rief: «Los!», und übertönte es. Das Dicke zupfte vorsichtig an der Leine. Als es sah, dass die Schüssel näher kam, grinste es und zog richtig. Das Rothaarige versuchte nicht einmal, etwas dagegen zu tun, und als das Dicke die Schüssel in seinem Abteil hatte, jubelte es.
«Ich hab gewonnen, du Schlampe, ich hab gewonnen!», rief es und stopfte sich das Futter mit beiden Händen ins Maul. Ungefähr eine Sekunde später spuckte es alles wieder aus. Ich musste mich schütteln vor Lachen, denn ich hatte aufgeweichtes Papier und Bratensoße statt Hundefutter in die
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