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Tiere

Tiere

Titel: Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Unfall. Jedenfalls hatte ich keinem von ihnen wehtun wollen. Es sollte nur ein kleiner Spaß sein.
    «Alles in Ordnung?», fragte das Rothaarige. Ich dachte, es würde mit mir sprechen, doch als ich mich umdrehte, sah ich, dass es das Schwarze meinte.
    «Tut weh», sagte das Schwarze. Es biss die Zähne zusammen, hielt sich das Bein und schaukelte hin und her. «Tut höllisch weh.»
    «Bist du jetzt zufrieden?», fragte das Rothaarige, und dieses Mal sprach es mit mir. «Freust du dich jetzt, dass du einem von uns wehgetan hast?» Ich hätte am liebsten gesagt, dass ich es nicht gewollt habe, ließ es aber bleiben. Die anderen waren im Käfig, nicht ich. «Was hast du als Nächstes vor? Willst du uns für Schießübungen benutzen?», schrie das Rothaarige, und es rief noch hinter mir her, als ich schon durch den Gang davonging.
    Ich ging hoch und schaute nach, ob ich im Badezimmerschrank etwas gegen Verbrennungen hatte. Viel gab es nicht, nur ein paar Pflaster und Aspirin. Ich ging in die Küche und holte Margarine. Meine Mama hat immer gesagt, Butter wäre gut gegen Verbrennungen, und Margarine ist praktisch das Gleiche wie Butter.
    Unten im Gang konnte ich hören, wie alle miteinander redeten. Sie müssen mich gehört haben, verstummten aber nicht wie sonst, wenn ich in den Keller kam. Ich spürte ihre Blicke auf mir, als ich vor das Abteil des Schwarzen trat und die Medizin mit dem Besenstiel unter das Gitter hindurchschob. Es beachtete sie nicht. Es saß noch immer mit runtergelassener Hose am Boden, und sein Teil baumelte herum. Meiner Meinung nach übertrieb es jetzt ein bisschen. Aber die Verbrennung sah schlimm aus, und ich wollte ihm geradesagen, dass es sich etwas Margarine aufs Bein schmieren soll, als das Rothaarige sagte: «Das ist eine ernsthafte Verbrennung. Sie muss fachgerecht untersucht und nicht mit diesem Zeug da eingeschmiert werden.»
    «Mund halten», sagte ich, ohne mich umzuschauen, aber es gehorchte nicht.
    «Wenn man Fett draufschmiert, wird sich die Wunde entzünden», sagte es. «Er muss vernünftig verbunden werden, im Krankenhaus.» Es dachte wohl, ich wäre blöd. Ich ersparte mir eine Antwort. «Ich war früher Krankenschwester», sagte es. «Lass mich raus, dann kann ich mir die Wunde wenigstens mal anschauen. Danach kannst du mich wieder einsperren.»
    Mir war egal, was es früher mal war. Ich hatte genug von ihnen. Besonders vom Rothaarigen. «Wirklich, ich verspreche dir, dass ich nichts versuchen werde», sagte es. Da ich nicht darauf einging, schlug es gegen die Gitterstäbe und rief: «Ich rede mit dir! Bist du taub, oder was?»
    Jetzt hatte ich endgültig genug. «Mund halten!», sagte ich.
    «Er muss medizinisch versorgt werden!», rief es.
    «Mund halten!», befahl ich wieder, aber es schrie: «Ich war früher Krankenschwester!» Ich knallte den Besen gegen das Gitter und brüllte:
«Aber jetzt nicht mehr!»
    Stille setzte ein. Man konnte die Gitterstäbe vibrieren hören. Dann grinste mich das Rothaarige gehässig an und meinte: «Du bist echt ein toller Hecht mit deinem großen Stock, was?»
    Ich schlug wieder gegen das Gitter, aber dieses Mal zuckte es kaum noch zusammen. «Ich wette, dass ist der einzige Stock, mit dem du umgehen kannst, oder?», sagte es. Dawurde ich echt wütend und rief: «Halt’s Maul!», und stieß es mit dem Besenstiel.
    Ich hatte es wohl etwas härter getroffen, als ich wollte. Das Rothaarige machte ein Geräusch, krümmte sich zusammen und hielt sich den Bauch. Dann meinte das Schwarze: «Lass sie in Ruhe!»
    Ich war so überrascht, dass ich nicht wusste, was ich sagen soll. Ich drehte mich nur um und starrte es an. Es stand jetzt auf, die Hose immer noch runtergelassen. Mit seinen dürren Beinen unter dem Hemd sah es total komisch aus. Aber ich lachte nicht. Keins von ihnen war bisher so aufsässig geworden, und ich fragte mich noch, was ich machen soll, als das Dicke meinte: «Ja, verpiss dich einfach!» Und dann schrien plötzlich alle auf mich ein und beschimpften und bespuckten mich. Sogar das alte Weib. Ich brüllte, dass sie den Mund halten sollten, aber das taten sie erst, als ich mit dem Besen warf und dem leeren Eimer einen Tritt gab. Er krachte mit einem lauten Knall gegen das Gitter vor dem Abteil des Dicken, das sich wegduckte. Da hörten sie alle auf zu schreien. Ich schaute mich zu dem Rothaarigen um. Es stand immer noch zusammengekrümmt da und hielt sich den Bauch. Aus seinen geschlossenen Augen quollen Tränen, und plötzlich

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