Tiere
Mama arbeitete immer weniger im Pub. Aber das war nicht schlimm, denn um diese Zeit ging ich von der Schule ab und konnte meinem Papa helfen. Am Anfang sammelte ich nur die Gläser ein und spülte sie, aber dann zeigte er mir, wie man die Kasse bedient, und ließ mich auch hinter der Theke arbeiten. Nachmittags, wenn es nicht so voll war, zeigte er mir, wie man ein anständiges Bier zapft.Langsam, das Glas geneigt, damit man am Ende eine schöne, drei Zentimeter hohe Blume hatte und nicht das halbe Glas voll mit seifigem Schaum. «Sie muss dick und cremig sein», sagte er immer, «und darf nicht so aussehen, als könnte man sich damit rasieren.»
Als ich eines Abends das erste Mal ein Bier für einen Gast zapfte, war ich total nervös und vergaß alles, was mein Papa mir gesagt hatte. Ich drückte nur den Zapfhahn runter, und das Bier strömte über den Glasrand und auf den Tresen, wollte aber partout keine drei Zentimeter breite Blume kriegen. Die Männer an der Theke begannen zu lachen, und mein Papa kam und sagte, ich soll in die Küche gehen und Gläser spülen. Man merkte, dass es ihm peinlich war.
Mit der Zeit wurde ich besser. Obwohl ich nicht gerne Bier trinke, machte es mir Spaß, ein gutes Pint zu zapfen. Das kann nicht jeder. Mein Papa war richtig gut darin und konnte viel schneller zapfen als ich. Er trank auch gerne selbst. Am Anfang war er allerdings noch total strikt und hat höchstens mal ein kleines Bier getrunken, wenn ihm jemand eins ausgegeben hat. Manchmal hat er sich auch nach Feierabend ein Pint gegönnt. Einen Schlummertrunk, wie er immer sagte. Erst mit den geschlossenen Veranstaltungen begann er mehr zu trinken. Um gesellig zu sein, so nannte er es. Meine Mama sagte ihm, dass er sich nicht betrinken muss, um gesellig zu sein. Aber mein Papa meinte, er hätte wenigstens ein bisschen Spaß im Leben verdient, denn Gott weiß, dass er mit ihr keinen haben würde.
Ich verstand nicht, wie die beiden so böse aufeinander sein können.
Kapitel 11
D er Laden, in dem ich immer einkaufe, heißt
Willy’s
. Diese großen Supermärkte, wo alles glitzert und grell ist, mag ich nicht. Man weiß nie, wo die Sachen sind, und sie verkaufen alle das gleiche langweilige Zeug.
Willy’s
ist da ganz anders. Der Laden ist echt gut. Der Inhaber ist Inder oder so und verkauft praktisch alles. Einmal hingen neben den Tiefkühlsachen Mäntel aus Schaffell. Und das im Sommer. Er meinte, gerade deswegen kann er sie so billig verkaufen.
Bei
Willy’s
gibt es immer solche Sachen. Er verkauft Unmengen von ausländischen Dingen wie Dosen und Schachteln mit komischen Aufdrucken. An diesem Nachmittag hingen überall große, mit Filzstift beschriebene Schilder, die chinesisches Feuerwerk anpriesen. Es war in dem großen Glasschrank neben der Kasse. Die bunten Böller mit der verschnörkelten Schrift sahen total gut aus. Einige waren so groß, dass sie eher wie Bomben aussahen. Als Willy bemerkte, dass ich sie anschaute, kam er zu mir. Er sagt immer Hallo und fragt, wie es mir geht. Das ist auch ein Grund, warum ich gerne dort einkaufe. Er redet immer richtig höflich mit mir, so als würde er sich echt freuen, mich zu sehen. Ich sagte, dass es mir gutgeht, und fragte, wie es ihm geht. Willy sagte, dass es ihm auch gutgeht, und fragte, obich ein paar Böller kaufen will. «Sonderangebot», sagte er. «Halber Preis.»
Eigentlich wollte ich keine. Bis Silvester war es noch Monate hin, außerdem waren sie immer noch teuer, obwohl sie runtergesetzt waren. Aber es fiel mir schwer, nein zu sagen, und ich fragte mich noch, was ich tun soll, als Willy meinte: «Pass auf, ich gebe dir eine Schachtel für drei Pfund. Aber erzähl es niemandem, sonst ruinierst du mir das Geschäft.»
Da ich das wirklich nett von ihm fand, sagte ich, in Ordnung. Ich konnte die Böller ja für später aufheben. Er sagte, er würde sie mir zurücklegen, bis ich meine Einkäufe erledigt habe. Ich nahm einen Korb und überlegte, was ich brauchte.
Ich wünschte, ich hätte eine Liste gemacht. Ich kann mich nie daran erinnern, was ich will. Sobald ich auf die vollen Regale schaue, wird mein Kopf leer. Das ausländische Essen, diese ganzen Reis- und Nudelsachen und so, sahen echt gut aus. Ich denke oft, dass ich sie gerne mal probieren würde, aber ich weiß ja gar nicht, wie man sie zubereitet. Und vielleicht schmecken sie mir sowieso nicht, also lasse ich es lieber. Für Cheryl und Karen hätte ich aber gerne etwas Außergewöhnliches gemacht, um sie
Weitere Kostenlose Bücher