Tiffamy Duo Band 29
vor ihrer Schlafzimmertür gehört.
Eigentlich konnte niemand im Haus sein. Miguel war mit den Tribünen beschäftigt, Justine und Leona hielten sich im Pferdestall auf. Und die Arbeiter benutzten die Gästetoilette unten in der Halle. Sie wären bestimmt nicht nach oben gekommen. Vorsichtig öffnete Kendra die Tür. Doch es war nichts zu sehen. „Gut", murmelte sie.
„Lass das Theater und mach dich fertig." Entschlossen, sich keine unnötigen Gedanken mehr zu machen, ging sie ins Badezimmer, um zu duschen.
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„Es wird alles gutgehen", sagte sich Kendra wohl zum hunderstenmal. Sie stand in der Nähe der Tribüne und beobachtete die gespannten Mienen der Zuschauer: Die Menge hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Sie bekam genug Bier, Wein und Whiskey an der Bar. Diese Ausgaben würden Justine noch Wochen Alpträume verursachen. Aber jetzt saßen die Besucher entspannt auf ihren Sitzen und sahen zu, wie die „Westwind Arabians"-Stuten und -Hengste tänzelnd an der Tribüne vorbeigeführt wurden.
Lächelnd und voller Hoffnung verließ Kendra ihren Platz, bevor die Schau zu Ende war. Die Pferde, die versteigert werden sollten, standen angebunden in einer Reihe in der Nähe des Stalls. Sie verglich ihre Namen und die ihrer Züchter noch einmal mit denen in ihrer Liste und ging dann langsam zurück ins Haus. Es gab nicht mehr viel, was sie noch tun konnte. Sie hatte ihren Teil am Programm erfüllt. Sie würde ein bisschen aufräumen, die Halfter weghängen und dann noch mit den Gästen ein Glas Wein trinken.
Leise trat sie durch die hintere Verandatür ins Haus und ging die Treppe in den ersten Stock hinauf. Aus Sicherheitsgründen hatte man in letzter Zeit damit begonnen, alle Gebäude abends abzuschließen. Die Schlüssel wurden im Büro im Haus aufbewahrt. Es war schon ein bisschen unbequem, jedesmal die Schlüssel zu holen, um die Halfter wegzuhängen. Aber unter den gegenwärtigen Umständen machte es ihr nichts aus. Kendra betrat das Büro und zog die Schreibtischschublade auf, in der Justine die Schlüssel aufbewahrte. Doch die Schlüssel lagen nicht an ihrem Platz.
Kendra zog die Schublade ganz heraus, trug sie zum Sofa und kippte den Inhalt aus. Büroklammern, Kugelschreiber, Briefe, Rechnungen und Notizzettel ergossen sich auf die Sofakissen. Nur die Schlüssel waren nicht dabei.
Kendras Unruhe wuchs, denn mit diesen Schlüsseln konnte man sämtliche Türen des Hauses und der Ställe öffnen. Plötzlich fielen ihr wieder die Schritte ein, die sie vor ihrer Schlafzimmertür gehört hatte. Jemand war im Haus gewesen — und im Büro. Kendra ließ alles liegen, wie es war, und eilte nach draußen. Von der Veranda aus suchte sie Justine in der Menge zu entdecken. Sie stand bei den Auktionspferden. Aber sie konnte weder Colin noch Leona ausmachen. Langsam schlenderte sie zu den Ställen. Es musste eine Erklärung für das Verschwinden der Schlüssel geben. Justine konnte sie beispielsweise genommen haben. Als Kendra zufällig nach oben blickte, entdeckte sie einen Schatten hinter dem Fenster des alten Büros über dem ersten Stall.
Ungläubig starrte sie hinauf. Der Schatten bewegte sich wieder. Ja, dort oben war jemand. Irgendjemand war in dem alten Büro. Kendra bekam eine Gänsehaut. Nicht einmal an dem Abend, als Raymond im Dunkeln mit „Windsong" auf sie zugeritten kam, hatte sie ein solches Entsetzen wie in diesem Augenblick verspürt. Für einen Moment erwog sie, zu den anderen hinüberzurennen, um zu vergessen, was sie soeben gesehen hatte. Am liebsten hätte sie den Kopf in den Sand gesteckt. Jemand, der Pferde umbrachte, hätte sicherlich auch keine Skrupel, sie zu töten. Dennoch nahm sie all ihren Mut zusammen und ging leise auf die Stalltür zu. Sie war unverschlossen. Sie drückte sie geräuschlos auf und nahm schon einmal die Pistole aus dem Bord.
Ihre Hände zitterten, die Innenflächen waren feucht. Die Waffe vorsichtig in der Hand haltend, schlich sie dann leise die Treppe an der Außenwand des Stalles hinauf. Jetzt nur keinen Fehler machen, befahl sie sich. Sie wusste, dass ihr Leben davon abhängen konnte.
So angestrengt Kendra auch horchte, von innen war nichts zu hören, jedoch aus der Ferne nahm sie ein seltsam holperndes Geräusch wahr. Vorsichtig blickte sie über die Schulter. Ein gelber Wagen fuhr, eine Staubwolke hinter sich aufwirbelnd, querfeldein auf die Ranch zu.
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Er war es also nicht, der hier herumschlich. Sie würde dieses alte Auto,
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