Tiffamy Duo Band 29
Wanderungen waren nur begrenzt möglich: In wenigen Stunden konnte man die Insel umrunden. Mandy wird sich zu Tode langweilen, dachte Daniel. Vielleicht bestand doch noch Hoffnung, dass sie vor Ablauf der drei Wochen abreiste.
Je näher er dem Zelt kam, desto langsamer ging er. Es war ihm etwas peinlich, Mandy gegenüberzutreten. Sie war ebenso ein Opfer von Adelas guten Absichten wie er. Er würde sich bei ihr entschuldigen müssen, das war ihm völlig klar. Er wusste nur nicht wie.
„Mandy?" fragte er leise, um sie nicht zu erschrecken. Er bekam keine Antwort.
Besorgt schlug Daniel die ausgefranste Zeltklappe zurück und warf einen Blick ins Innere des Zeltes. Die Hände unters Kinn gelegt, die Knie angezogen, das dunkle Haar wie ein seidiger Fächer auf dem Kopfkissen ausgebreitet, lag Mandy auf der Seite und schlief. Die Bluse war ihr aus dem Rockbund gerutscht, und der Rock hatte sich über ihre aufregenden schlanken Oberschenkel geschoben. Die Kostümjacke lag neben ihr auf dem Boden.
Daniel kniete sich neben die Matratze. Vorsichtig zog er Mandy die Schuhe aus. Ihre Füße waren warm. Er hielt sie einen Moment länger fest als notwendig, bevor er sie vorsichtig auf die Matratze bettete. Mandy rührte sich nicht. Er überlegte, ob er sie zum Abendessen wecken sollte, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten ihm, dass sie Schlaf nötiger brauchte als Essen. Aber würde ihr Schlaf erholsam sein, oder plagten sie womöglich Alpträume? Vielleicht sollte ich mich zu ihr legen, sie in meine Arme nehmen und ihre Alpträume vertreiben, dachte er. Vielleicht konnte er sich so bei ihr entschuldigen — seinen Körper an ihren schmiegen, sie streicheln und die Erinnerung an die Ängste, die sie durchlebt hatte und die sie vielleicht immer noch plagten, wegküssen.
Er fluchte unterdrückt, sprang auf und verließ hastig das Zelt. Während er den Weg zurückging, den er gerade gekommen war, machte er sich die heftigsten Vorwürfe. Seine Stimmung war wieder auf den Nullpunkt gesunken. Es war ein Wunder, dass er die Cafeteria in seiner Wut auf Anhieb fand.
Der Speiseraum wirkte genauso spartanisch wie die Unterkünfte. Auf dem alten, ausgetretenen Linoleumfußboden standen zwölf Tische mit je vier Klappstühlen. Vorhänge gab es nicht. Daniel stellte sich vor dem langen Tisch an, auf dem das Essen aufgebaut war und von Studenten ausgegeben wurde. Er ließ sich eine kräftige Portion auf den Teller laden und suchte sich einen leeren Tisch. Lange blieb er jedoch nicht allein. Er hatte noch nicht aufgegessen, da setzten sich Ray und zwei andere Taucher zu ihm. Bier und Wein gäbe es an der Bar, erklärten sie. Daniel musste zugeben, dass die einfache Mahlzeit bedeutend besser schmeckte, wenn man eine Dose Bier dazu trank.
Nach dem Essen gingen die vier Männer in besagte Bar, die mit sechs Barhockern und einer Handvoll winziger Tische eingerichtet war. In einer Ecke stand ein Eisschrank, in dem nicht nur Bier und Wein gekühlt wurden, sondern auch Filme und Medikamente lagerten. Die einfache Umgebung wurde durch angeregte Unterhaltung und australisches Bier wettgemacht — jedenfalls so lange, bis die Sonne unterging. Danach machte sich die Müdigkeit bei den Männern bemerkbar, und sie verzogen sich in ihre Baracken und Zelte. Die Sonne ging früh auf am Barrierriff, und mit dem Sonnenaufgang kam die Möglichkeit zum Tauchen. Und deshalb waren alle auf diese entlegene Insel gekommen, um zu tauchen, nicht um die Nächte durchzufeiern und sich am nächsten Morgen auszuschlafen.
Es war dunkel, als Daniel zum Zelt zurückging. Der Wind strich durch die Casuarina-Bäume, und das Rauschen der Brandung schien aus weiter Ferne zu kommen. Es verriet Daniel, dass die Ebbe ihren tiefsten Stand erreicht hatte.
Kein Lichtschimmer drang aus dem Zelt. „Mandy?" Daniel erhielt keine Antwort auf seine leise Frage. Er bückte sich, um möglichst geräuschlos durch die niedrige Zeltöffnung zu kriechen. Vorsichtig tastete er sich zu der leeren Matratze, neben der, wie Ray ihm versichert hatte, eine Taschenlampe liegen sollte. In den anderen Zelten gab es elektrische Anschlüsse, in ihrem jedoch nicht. Es war auf ausdrücklichen Wunsch der australischen Regierung, der die Insel gehörte, in letzter Minute als Notunterkunft aufgestellt worden.
Daniel hielt die Hand über die Lampe. Erst dann knipste er sie an. Ein rötlicher Lichtschimmer breitete sich im Zelt aus. Um besser sehen zu
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