Tiffany Duo 134
rezitierte für sie Gedichte.
Noras Mund wurde trocken, und sie wünschte sich sehnlichst, nach seiner Hand zu greifen und sie an ihre Wange zu legen.
„Du ... äh ... du kennst die übersetzte Fassung aber offenbar gut.“
„Meine Mutter hat früher abends gern Kipling vorgelesen, während mein Vater Omar Khayyám oder Louis L'Amour bevorzugte.“
Sie lächelte. „Eine tolle Mischung. Meine Mutter hat mir früher auch vorgelesen. Allerdings meistens aus Dr. Seuss.“
„Nichts gegen Seuss.“ Er zog ein Knie an, stützte den Ellbogen darauf und drückte das, Handy an sein Ohr.
So hatte er eine Hand frei. Er benutzte sie, um ihr eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen, während sie seine Augen auf eine höchst unfaire Art und Weise anlächelten.
„Ich sehe dich als kleines Mädchen richtig vor mir. Ich wette, du warst immer sehr ernst - wenn du nicht gerade mit den Jungs Wettrennen veranstaltet und sie geschlagen hast.“
Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, nicht, solange er sie so anschaute. „Ich ... na ja ... ich war auf der High School in der Leichtathletikmannschaft. „
„Das überrascht mich nicht. Ich ... oh, hi, Mom!“ sagte er ins Telefon.
Während Alex mit seiner Mutter telefonierte, hatte Nora alle Hände voll damit zu tun, ihre überschäumenden Hormone wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie rief sich mit Nachdruck zur Ordnung und erinnerte sich an ihre Pflichten, indem sie sich ermahnte, dass sie ihrer Lust nicht erlauben durfte, ihren gesunden Menschenverstand lahm zu legen. Und sie hörte sich auch zu. Tatsächlich war sie derart damit beschäftigt, sich wieder in den Griff zu bekommen, dass sie fast den wichtigsten Teil von Alex Telefongespräch verpasst hätte.
„Nach wessen Nummer hast du sie gefragt?“ wollte sie wissen.
„Nach Rashi al Hammads. Bestimmt hast du schon von ihm gehört.“
„Rashi al Hammad! Du liebe Güte, Alex, der Mann ist eine Legende!, Und er muss bereits über siebzig sein. Du hast doch wohl nicht vor, ihn zu fragen, ob er zu uns hier rauskommt?“
„Aber ja“, gab er gut gelaunt zurück, während er eine neue Nummer wählte. „Warum nicht ganz oben anfangen? Rashi kann Ibrahim nicht ausstehen.“
„Sagst du das jetzt, um mich zu beruhigen? Ich dachte, du suchst uns einen Techniker oder jemand mit vergleichbaren Kenntnissen. Rashi al Hammad zu fragen, ob er unseren Tunnel räumt, ist ungefähr so wie ... oje ... als würden wir Thomas Edison bitten, unseren Generator zu reparieren.
„Nicht ganz. Edison ist tot, du müsstest also erst mal Kontakt mit ihm aufnehmen. Nein, aber Spaß beiseite, Nora. Ich weiß normalerweise, was ich tue. Und wenn ich es nicht weiß, kann ich es ziemlich gut überspielen.“
Sie kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern. Alex begann, auf Arabisch ins Telefon zu sprechen. Die Worte kamen so schnell und flüssig, dass Nora ihnen nicht folgen konnte. Ein paar Fetzen schnappte sie aber dennoch auf.
„Du hast ihm die Wegbeschreibung gegeben“, sagt sie ruhig, wobei sie sich alle Mühe gab, ihre Hoffnung zu dämpfen.
„Und deine Telefonnummer.“
„Die Wegbeschreibung war nicht für ihn. Obwohl Rashi interessiert ist. Vor allem, weil er bis jetzt noch nichts von deiner Höhle gehört hat.“
„Woher auch?“
„Es gibt nur sehr wenig, wovon er noch nichts gehört hat, und er ist ziemlich erbost darüber. Er wird Ibrahim anrufen.“ Alex klang zufrieden.
Sie stöhnte. „Oje, das ist genau das, was ich gebraucht habe, um Ibrahim gegen mich aufzubringen. Das sieht ja so aus, als hätte ich hinter seinem Rücken zu einer der größten Koryphäen unseres Fachs Kontakt aufgenommen. Und der Mann kann mich so schon nicht leiden.“
„Tatsächlich ist es genau das, was du brauchst, Nora. Du hast mich irgendwann einmal gefragt, ob ich hergekommen bin, um hier die Leitung zu übernehmen. Das ist zwar nicht der Fall, aber ich glaube, mit Ibrahims Vorurteilen liegst du durchaus richtig. Er gönnt dir den Erfolg nicht. Er will es dir s o schwer wie möglich machen, in der Hoffnung, dass du aufgibst oder dass dir die Zeit davonläuft - du wirst von der Universität nicht bis in alle Ewigkeit freigestellt und dann kann er hier einem Mann seiner Wahl die Verantwortung übertragen und die Lorbeeren selbst einheimsen. In der Zwischenzeit möchte er die Fachwelt in Ägypten über deinen Fund lieber im Unklaren lassen.“
Daran hatte sie eine Weile zu kauen. „Willst du damit sagen, dass du ihm Hammad
Weitere Kostenlose Bücher