Tiffany Duo 134
umkehren. Doch statt zurückzugehen, kam ich immer weiter in die Wüste hinein. Und dann...“
„Und dann bist du ein paar Leuten in die Arme gelaufen, die nicht von dir gesehen werden wollten.“ Spontan legte sie ihm eine Hand auf den Arm. „Alex, entschuldige. Ich wollte keine bösen Erinnerungen wecken.“
„Sie liegen ohnehin dicht unter der Oberfläche.“ Verdammt, warum hatte er das gesagt? „Aber wenn deine Neugier befriedigt ist, können wir das Thema ja abhaken.“
„Gewiss.“ Sie lief schweigend neben ihm her, bis sie den Rand des Steinbruchs erreichten, wo sie stehen blieb und ihn anschaute. „Also ... bist du jetzt sehr verletzt?“
Er schaute sie an. Sie gehört hierher, ging es ihm durch den Kopf. Das war seltsam, weil sie in einer der größten Städte der Vereinigten Staaten aufgewachsen war, aber es stimmte. Sogar ihre Farben schienen mit ihrer Umgebung zu verschmelzen -die braune Haut, die Augen, so strahlend-blau wie der Morgenhimmel, das Haar, so schwarz wie eine Wüstennacht.
„Ich werde darüber hinwegkommen.“
Diese Augen lächelten ihn verschmitzt an. „Rechtzeitig genug, um für uns einen Techniker zu finden?“
„Oh, sobald ich in meinem Zelt bin, nehme ich an. Er musterte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Aber du könntest den Prozess beschleunigen. Was hältst du von einem Wettrennen?“
„Einem Wettrennen? Hier?“ Sie schaute ein wenig zweifelnd auf den Steilhang, der in den Steinbruch hinabführte.
„Du scheinst dich gern von Rändern zu stürzen.“
Sie grinste. „Und ich bin gut darin. Ich hoffe bloß, dein Ego verkraftet es, von einer Frau geschlagen zu werden.“
„Mach dir lieber Sorgen um dein eigenes Ego. Auf die Plätze, fertig ...“
„Los!“ schrie sie und rannte.
Nora gewann das Rennen - oder behauptete es zumindest. Sie erreichte den Boden des Steinbruchs eine Sekunde vor Alex, aber er schlug sie auf dem Weg zu seinem Zelt. Als er die Plane zurückschlug, stritten sie immer noch, welchen Punkt genau sie als Ziellinie definiert hatten, dann betrat er das Zelt und winkte ihr, ihm nachzukommen.
„Ich habe definitiv gewonnen“, behauptete sie, während sie sich in den Eingang duckte. „Ich bin sicher, dass die anderen es dir bestätigen, sobald sie sich von ihrer Überraschung erholt haben.“ Ihre Crew hatte verschiedene Variationen desselben Gesichtsausdrucks gezeigt, als sie und Alex in einem Affenzahn den Hang hinunter und schnurstracks auf sein Zelt zugerast waren: sprachlose Verblüffung.
Er lachte trocken auf. „DeLaney ist total geschockt.“
„Dann muss ich mich ja bisher schrecklich verknöchert benommen haben, wenn sie jetzt von einem harmlosen Wettrennen geschockt ist.“ Sie schaute sich in dem kleinen Zelt um. Es gab nicht viel zu sehen da waren das Feldbett, sein Rucksack und ein kleiner niedriger Holztisch, auf dem sein Laptop stand, zwei Bücher, eine Feldflasche und ein Kompass.
Hatte er den Kompass mitgebracht, weil er sich letzten Monat verlaufen hatte?
„Ich kann nicht sehen, dass du verknöchert bist. Professionell vielleicht.“
Sie zog ein Gesicht. „Das ist fast genauso schlimm.“ Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und griff neugierig nach dem obersten Buch. Es handelte sich um einen bekannten Spionagethriller. Das andere Buch war eine größere Überraschung. Es war ein schmaler, in Leder gebundener Band mit Goldaufdruck. Dummerweise handelte es sich dabei um arabische Schriftzeichen, die sie nicht entziffern konnte.
„Du liest Arabisch offenbar genauso gut, wie du es sprichst. Ich bin beeindruckt.“
„Nun, für gute Prosa reicht es nicht ganz, aber diese Vierzeiler von Omar Khayyám klingen wirklich sehr hübsch auf Arabisch.“ Er kramte das Handy aus seinem Rucksack. „Willst du zuerst telefonieren oder soll ich?“
Sie machte eine abwehrende Handbewegung. „Du. Wenn du einen Techniker findest, der bereit ist, umsonst für uns zu arbeiten, stellt sich die Sache für Ibrahim schon ganz anders dar. Vielleicht lässt er sich in diesem Fall ja ein paar Zugeständnisse mehr entlocken.“
Während er wählte, schlug sie das Buch auf und schaute auf die schön geschwungenen Schriftzeichen. „Die Übersetzung ist dir wohl zu einfach?“
Er lachte kurz auf und lehnte sich vor. Nora konnte das leise Tuten hören. „O komm, Geliebte, komm, es sinkt die Nacht“, begann er zu rezitieren, „Verscheuche mir durch deiner Schönheit Pracht des Zweifels Dunkel ...“
Oh, Gott, der Mann
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