Tiffany Duo 134
ein paar Meter hinter ihm, unbewaffnet und völlig außer Atem.
„Wir sind okay“, rief Alex ihnen entgegen.
„Was ist passiert?“ keuchte Tim, als er bei ihnen angelangt war.
„Wir haben Schüsse gehört.“
„Habt ihr die Miliz gerufen?“ fragte Nora.
„Ahmed. Was war denn los?“
„Ich glaube, sie sind weg“, mischte sich Alex ein, bevor Nora etwas erwidern konnte. „Wahrscheinlich sind sie weggerannt, als sie jemand kommen hörten. Gott sei Dank seid ihr rechtzeitig aufgetaucht.“
„Aber wer war das? Warum haben sie geschossen?“
„Ich habe keine Ahnung. Vermutlich sind wir in ein Kreuzfeuer geraten.“ Alex schüttelte den Kopf. „Es war heftig. Sie waren zu zweit, vielleicht waren es auch mehr und sie haben sich über das Wadi hinweg beschossen. Nora und ich kamen in dem Moment dazwischen, in dem sie das Feuer eröffneten.“
„Großer Gott!“ Tims britischer Akzent trat stärker hervor als normalerweise. „Aber ihr seid okay?“
Nora schaute Alex an. Er wirkte erschüttert. Nicht hart und kalt wie vor ganz kurzer Zeit noch, als er sich mit kühler Kalkulation zur Wehr gesetzt hatte. Nein, jetzt schaute er genauso drein, wie es jeder von ihm erwartete. „Ich glaube, einer hat etwas abbekommen“, berichtete er. „Ich habe jemand aufschreien hören. Aber uns ist nichts passiert.“
„Nora?“ Tim kam mit besorgt gefurchter Stirn auf sie zu.
„Geht es dir gut? Gott, du blutest ja.“
„Ich ... es ist nur ein Kratzer.“ Sie konnte Alex Blick nicht begegnen. „Alex hat mich zu Boden gerissen, um mich aus ... aus dem Kreuzfeuer zu bringen.“ Sie hatte bis zu diesem Moment nicht gewusst, dass sie seine Geschichte bestätigen würde. Dass sie für ihn lügen würde. Genau wie ihre Mutter für Stan gelogen hatte, wenn der Gerichtsvollzieher kam. Genau wie ihre Schwester für zwei ihrer unappetitlichen Freunde gelogen hatte. Ihr war ganz schlecht.
„Nora ist ziemlich durcheinander“, sagte Alex.
„Wahrscheinlich ist es am besten, wenn Sie mit ihr ins Camp gehen, Tim. Ich warte hier, bis die Miliz auftaucht, und schaue mich unterdessen mal um, ob ich irgendwo einen Verletzten finde. Vielleicht braucht er ja Hilfe.“
Nicht, wenn er tot ist, dachte Nora. Und Alex war sich sehr sicher gewesen.
„Tu das“, sagte sie zu ihm. „Aber ich denke, ich sollte besser auch hier bleiben. Wenn jemand verletzt ist, kann ich Erste Hilfe leisten.“
Tim erschauerte. „Grässlich.“ Er legte Nora fürsorglich einen Arm um die Schultern. „Komm. Du musst dich wenigstens irgendwohin setzen. Du siehst zum Fürchten aus.“
Sie verspürte den starken Drang, seinen Arm abzuschütteln, aber sie tat es nicht und ließ sich von ihm zu dem Felsen führen, hinter dem sie und Alex Schutz gefunden hatten.
Alex sprach mit Gamal, dann gingen die beiden weg, um einen Verletzten zu suchen ... oder einen Toten. Nora setzte sich in den Sand und lehnte sich gegen den Felsen.
Tim ließ sich neben ihr nieder. „Das ist ja Wahnsinn.“ Er schüttelte immer noch fassungslos den Kopf. „Absoluter Wahnsinn. Erst die Bombe und jetzt diese Leute, die aufeinander schießen.“
„Ja.“ Und sie hatte gelogen und gesagt, dass sie in ein Kreuzfeuer geraten seien. Alex Pistole hatte sie nicht erwähnt. Würde sie die ägyptische Miliz auch anlügen?
Als Alex es an diesem Nachmittag endlich schaffte, unbemerkt das Camp zu verlassen, zogen sich am Himmel dunkle Wolken zusammen.
Regenwolken. Er hoffte inständig, dass sie erst weiter landeinwärts zogen, bevor sie ihre Last auf dem verdorrten Land, über dem sie jetzt hingen, abluden. Es wäre nur typisch für sein Glück im Sinai, wenn ausgerechnet in der einen Nacht des Jahres, in der er dringend gutes Wetter brauchte, eins der seltenen Unwetter hereinbräche.
Irgendetwas würde passieren heute Nacht. Er wusste nur nicht, was. Er konnte lediglich Vermutungen anstellen, aber das reichte nicht aus - und genau aus diesem Grund war er jetzt hier draußen und erklomm einen der kleinen Hügel in der Nähe des Steinbruchs. Er musste mit dem Mann sprechen, der ihnen heute Morgen zu Hilfe gekommen und dann wieder verschwunden war.
Aber natürlich hatte Alex seine Stimme erkannt. Er und Farids Sohn hatten schon früher zwei mögliche Treffpunkte vereinbart. Zu einem davon war Alex jetzt unterwegs.
Der Hinterhalt von heute Morgen war stümperhaft geplant gewesen. Offenbar hatte ihnen die Zeit gefehlt, sonst hätten sie Schalldämpfer benutzt. Sie waren in Eile
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