Tiffany Duo 48
zur Raserei bringen wie ich Sie?"
bemerkte er, als Sybil sich einen Parkplatz zwischen den vielen Autos vor einem hell
erleuchteten Haus suchte.
"Welch immenser Trost!" versetzte sie spitz und stellte den Motor ab. Sie wandte sich Nicholas in der Dunkelheit zu, um ihn hinaus in die kalte Nachtluft zu
scheuchen, doch plötzlich hielt sie erstaunt und fasziniert inne. Die Heizung war
während der ganzen Fahrt nicht warm geworden, und Sybils Atem bildete eine
dichte weiße Wolke. Wie erstarrt beobachtete sie, wie sich diese Wolke mit der
seines Atems vermischte, und der Schauer einer Vorahnung befiel sie. Als sie
Nicholas in die Augen sah, merkte sie, daß er genauso verwirrt wirkte wie sie. Er
beugte sich zu ihr, sein Mund und sein Atem kamen näher.
"Was tun Sie?" flüsterte sie, ohne zurückzuweichen.
Unmittelbar vor ihrem Gesicht verharrte er. "Ich bin mir nicht sicher", murmelte er ebenfalls ganz leise. "Entweder mache ich einen Annäherungsversuch, oder ich
versuche, Sie einzuschüchtern Vielleicht auch beides."
"Wie dem auch sei, beides ist zwecklos", erwiderte sie, ohne den Blick von ihm zu wenden.
"Davon bin ich nicht so ganz überzeugt." Wieder wollte er sich ihr nähern, aber diesmal wich sie zurück und stieg aus dem Wagen, ehe er sie berühren konnte.
"Bringen Sie die Papiere mit, ja?" Ihre Stimme hörte sich bewundernswert gelassen an. Ohne Hast ging sie auf die Haustür zu, wo Nicholas sie einholte.
"Ich nehme nicht an, daß es dort drinnen etwas Heißes, Starkes zu trinken gibt,
oder?" fragte er auf seine gewohnt mürrische Art, und es war, als hätte es diesen kurzen Augenblick im Auto nie gegeben.
"Kräutertee oder heißen Apfelwein."
"Ich dachte eher an Kaffee und Whiskey."
"Drogen trüben das Bewußtsein und beeinträchtigen das übersinnliche
Konzentrationsvermögen", zitierte sie.
"Ich habe kein übersinnliches Konzentrationsvermögen, sondern starke
Unterkühlungsanzeichen!"
"Ich bin sicher, daß Dan sich Ihrer erbarmen wird."
"Sehr unwahrscheinlich, daß es eine solche edle Gesinnung in Vermont überhaupt
gibt", konterte er düster und folgte ihr in das hell erleuchtete alte Farmhaus, in dem es vor Menschen wimmelte.
Sybil gelang es nie, Dan und Margaret Appletons Haus ohne ein gewisses Gefühl der
Orientierungslosigkeit zu betreten. Von außen war es eine für Vermont typische
Farm, mit schmalen, weiß gestrichenen Schindeln und grünen Fensterläden,
Blechdach und gemütlich wirkenden kleinen Mansardenfenstem. Innen jedoch
dominierten die Einrichtungsgegenstände, die die Appletons aus ihrer früheren,
eleganten New Yorker Wohnung mitgenommen hatten. Auf dem hellblauen
Teppichboden sah man sofort jeden Schmutz, die weißen Chintzsofas schienen die
Hundehaare magnetisch anzuziehen, die unweigerlich immer an Sybils Kleidung
hafteten, und die zierlichen Chippendale-Stühle machten den Eindruck, als trügen
sie niemanden, der schwerer als fünfundvierzig Kilo war. Die gesamte Einrichtung
war elegant, großstädtisch und äußerst unpraktisch.
Im Gegensatz zu leider sehr vielen Vermontern hatte Margaret Appleton darauf
verzichtet, schon kurz nach dem Erntedankfest einen Weihnachtsbaum aufzustellen,
dennoch deuteten ein paar kleine, geschmackvolle Arrangements auf die
bevorstehende Zeit hin, wie der Rentierschlitten aus Ton auf dem Kaminsims und
ein paar kunstvoll zusammengestellte Immergrünzweige in der alten Kupfervase.
Schimmelfichte, dachte Sybil naserümpfend bei dem leicht modrigen Geruch. Wie
typisch für Großstädter, diese Art nicht von ihren wesentlich wohlriechenderen
Verwandten unterscheiden zu können.
Mit aufsteigender Nervosität stellte sie fest, daß trotz des schlechten Wetters
ziemlich viele Gruppenmitglieder zusammengekommen waren. Die Gerüche, die das
Haus durchzogen, bildeten einen herrlich heimeligen Kontrast zu der luxuriösen
Eleganz der Einrichtung - gebackene Bohnen, feuriges Chili und irgendein neues
Gericht von Leona, bei dem sie wie immer reichlich Rosmarin verwendet hatte. Dazu
der Duft von heißem Apfelwein, Rauch aus dem Kamin und der feine Geruch von
nasser Wolle, die in der Wärme des Hauses langsam zu trocknen begann." Sybil warf Nicholas einen Seitenblick zu und sah, wie er die Nase rümpfte. Eine ebenso
aristokratische Nase übrigens, wie sie es sich vorgestellt hatte. Vielleicht besaß sie doch stärkere übersinnliche Fähigkeiten, als sie geglaubt hatte!
"Zu viele Leute", murmelte sie dem überraschend
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