Tiffany Duo Band 128
sich also doch dazu durchringen können, noch einmal zu kommen", bemerkte sie mit erzwungener Gleichgültigkeit und wies auf den Stuhl ihr gegenüber. Dann atmete sie tief durch und zwang sich zu Gelassenheit.
Er zuckte die Achseln und nahm Platz, wobei er auf die Karten deutete. „Glauben Sie etwa an diesen Blödsinn?" fragte er kritisch.
Sie hatte sich vorgenommen, ehrlich zu sein. „Manchmal ja, manch mal nein." Sie legte die Karten beiseite und sah John in die Augen. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, warum er zurückgekommen war, aber sie wollte ihn nicht bedrängen.
Stattdessen griff Lucy nach seiner Hand, beugte sich über seine Handfläche und fuhr die Herzlinie mit einem roten Fingernagel nach. „Sie sind viel sensibler, als sie andere glauben machen möchten", flüsterte sie. „Sie haben Gefühle ... tiefe Gefühle, aber Sie geben sich große Mühe, Ihr gutes Herz zu verbergen."
Er grinste höhnisch. Dann kam ein verächtliches Schnauben aus seinem Mund.
„Von denen, die Sie lieben, verlangen Sie viel", fuhr Lucy fort, „aber nicht mehr, als Sie selber zu geben bereit sind."
„Und das steht alles in meiner Handfläche, ja?" fauchte er, und Lucy erwartete fast, er würde ihr seine Hand entreißen, aber er tat es nicht. „Ich kann das an Ihrer Herzlinie ablesen."
Er seufzte. „Okay, und was sehen Sie sonst noch?"
Sie lächelte in sich hinein und studierte seine Lebenslinie. „Sie haben eine bemerkenswert gute Gesundheit, neigen aber dazu, sich zu über nehmen und ihre Konstitution für selbstverständlich zu nehmen." Sie sah kurz hoch und wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder seiner Handfläche zu. „Die Wut, die Sie in sich einschließen, wird Sie verzehren, wenn Sie sie nicht unter Kontrolle bringen."
„Wollen Sie mir nicht noch sagen, dass ich ein langes und glückliches Leben führen werde?" fragte er sie sarkastisch.
Lucy hob den Kopf und sah John in die Augen. Er glaubte ihr nicht, weder das Handlesen noch das Kartenlegen noch die Möglichkeit, dass sie in sein Herz sehen könnte. Er war die Sorte Mensch, der selten sei nen Weg in ihr Zelt fand: ein Skeptiker und Realist. Normalerweise gingen Männer wie John Quaid ohne einen Blick an ihrem Zelt vorbei. Ihre üblichen Kunden glaubten ihr oder wollten ihr zumindest glauben.
„Warum sind Sie hier?" Lucy hielt den Atem an, während sie auf eine Antwort wartete.
Die Zeit im Zelt schien stillzustehen. Als John schließlich antwortete, war seine Erwiderung ganz und gar nicht zufrieden stellend: „Ich weiß es nicht."
Seine Hände waren jetzt nicht mehr kalt, sondern fast heiß. Sie passten zu ihm, es waren schöne Hände mit langen Fingern, so wohlgestaltet wie sein muskulöser Körper. Es waren die Hände eines Klavierspielers.
Lucy ging das Risiko ein. „Spielen Sie noch?" fragte sie weich und spürte sofort das verräterische Zucken seiner Hand.
Sie hatte nicht mehr Fähigkeiten als jeder andere Mensch auch, und das wusste sie sehr gut. Lucy verließ sich allein auf ihre Intuition und ihre Beobachtungsgabe. Das und der gelegentliche Klatsch, den sie von Kenny erfuhr - Gesprächsfetzen - reichte gewöhnlich aus, um ihre Kunden zu beeindrucken.
Es brauchte keine Magie, um traurige Augen zu erkennen, ein heimliches Zittern zu spüren oder Hoffnungslosigkeit bei Menschen zu erkennen, die viel zu jung waren, um schon aufzugeben.
Und auch bei John machte ihre Beobachtungsgabe nicht Halt. Sein Gesicht war recht kantig mit interessanten Zügen. Er war männlich gebaut und verhielt sich beinahe schon etwas ruppig. Wenn man ihn zeichnen würde, wäre es eine Skizze von klarer schnörkelloser Linienführung.
Und doch sah sie auch Weichheit in seinen Augen, seine Hoffnungen, Ängste, seine gesamte Seele. Lucy ließ Johns Hand los und lehnte sich zurück. Das war zu viel, das,ging zu schnell. Verdammt, warum hatte sie ihn auch noch einmal zu sich einladen müssen? Dieser Mann verwirrte ihre Sinne und ihr Herz mehr, als je einer zuvor. Lucy war auf einmal vollkommen irritiert.
„Geht es Ihnen gut?" Er beugte sich vor und betrachtete sie genau. Sorge und Verwirrung standen in seinem Blick. Und ein Hauch von Begehren.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, verdammt, es geht mir nicht gut. Ich brauche Zeit, um nachzudenken."
John lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Seine Besorgnis schwand und machte einem zynischen Lächeln Platz.
„Wollen Sie, dass ich morgen zurückkomme? Und danach jeden Abend, bis der Jahrmarkt die Stadt
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