Tiffany Duo Band 128
bei manchen Kunden versuchte sie sogar, ehrlich zu sein. Man konnte so viele Dinge aus den Augen eines Menschen ablesen, Angst, Trauer, Freude, Glück, dazu bedurfte es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Die Leute, die in Lucys Zelt kamen, wollten einfach eine Geschichte über ihre Zukunft hören, und Lucy reimte sich etwas zusammen, von dem sie dachte, dass es auf den jeweiligen Menschen passte, der da vor ihr saß.
Nur bei John war ihr das „Wahrsagen" schwer gefallen, bei ihm hatte sie nicht die Rolle der Lady Lucretia gespielt. Wie lange war es her, dass sie jemandem von ihrer Familie erzählt hatte? Sie musste vorsichtig sein und sich nur oft genug an ihre schlechten Erfahrungen erinnern - nein, sie wollte sich auf keinen Fall wieder auf jemanden einlassen, auch und erst recht nicht auf John Quaid.
Da erschien plötzlich eine dunkle Gestalt wie aus dem Nichts und riss Lucy abrupt aus ihren Gedanken. Sie sah einen Schatten, hörte das trockene Gras rascheln, und dann prallte jemand hart in ihren Rücken. Lucy stürzte zu Boden. Die Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst, und sie hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Panik erfasste sie. Nein! Nicht noch einmal! Sie würde nicht zulassen, dass es wieder geschah!
Lucy konzentrierte sich auf den Schmerz in ihren Lungen und ein stechendes Gefühl in der Schulter, und ihr Kopf wurde klarer. Ein schweres Gewicht drückte sie zu Boden, so dass sie kaum atmen konnte. Vertrocknetes Gras zerkratzte ihr die Wange. Lucy hob den Kopf und holte tief Luft, um laut zu schreien, aber sofort bedeckte eine behandschuhte Hand ihren Mund. Der Angreifer drehte sie grob auf den Rücken.
Beim Anblick des Mannes stockte Lucy der Atem. Das war ja ein Monster, das da im fahlen Mondlicht über ihr kauerte! Ein Mann mit einer Monstermaske, korrigierte sie sich, als sie näher hinschaute. Es war eine Maske mit struppigen Haaren, scharfen Zähnen und einer Grimasse aus Plastik, die Augen unkenntlich in tief liegenden Schlitzen. Der Mann, der die Maske trug, atmete schwer und abgehackt und drückte Lucy mit seinem ganzen Körpergewicht zu Boden. Seine Hand bedeckte noch immer ihren Mund.
Plötzlich sah Lucy ein Messer aufblitzen. Eine breite Klinge mit mörderischer Spitze glitzerte an ihrem Gesicht, ehe der Mann ihr das Messer an den Hals setzte.
„Ein Laut, und ich schneide dir die Kehle durch", zischte er.
Ganz langsam hob er die Hand von ihrem Mund, und verlagerte sein Gewicht auf ihrem Körper, so dass Lucy wieder etwas besser atmen konnte. Dann fing er an, mit seiner freien Hand ihren Hals entlang über die Schulter und dann den Arm hinab zu streicheln - ganz wie die Liebkosung eines Liebhabers.
„Du bist so schön", murmelte er gedämpft hinter seiner Maske. Er bewegte die Klinge ein wenig weg von Lucys Hals, und sie sah ihre Chance gekommen. Blitzschnell ergriff sie den Arm des Mannes, stieß ihn beiseite und schrie aus Leibeskräften.
Sofort saß das Messer wieder an ihrer Kehle, und der Mann mit der Monstermaske griff ihr fluchend ins Haar. Die schwarze Perücke rutschte ihr vom Kopf und entblößte Lucys blondes Haar. Einen Moment lang starrte der Angreifer verdutzt auf die Perücke in seiner Hand, dann warf er sie beiseite.
Langsam ritzte er mit der Klinge die Haut an ihrem Hals entlang und Lucy spürte, wie ihr heißes Blut in den Nacken floss und auf den Boden tropfte. Sie hatte Todesangst.
Da flog plötzlich eine Wohnwagentür auf, und ein heller Lichtschein fiel heraus. Eine vertraute Stimme rief Lucys Namen. April. Und dann ging alles ganz schnell - Lucy hörte noch, wie April kreischte und dann kamen auch schon mehrere Leute angerannt, um ihr zu helfen.
Mit einem Fluch sprang der Mann mit der Maske auf, und die plötzliche Erleichterung ließ Lucy schwindelig werden. Ein Lichtstrahl blendete sie. Eine tiefe Stimme schrie auf und der Angreifer verschwand so lautlos in der Dunkelheit, wie er gekommen war.
Ein vertrautes Gesicht beugte sich über Lucy, und sie sah einen ungepflegten Bart und ein paar besorgte Augen, die sich zu Schlitzen verengt hatten. „Lucy? Mädchen, ist alles in Ordnung mit dir?"
Sie klammerte sich mit aller Kraft an die Hand von Martin, ihrem Chef. Lautlose Tränen liefen ihr über die Wange, und Martin nahm sie in seine Arme. „Schhh, ist ja gut. Es ist alles wieder gut."
Die anderen Männer nahmen die Verfolgung des Angreifers auf, aber Lucy war sich sicher, dass sie ihn nicht fassen würden.
„Es geht schon wieder", sagte sie
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