Tiffany Duo Band 128
für Essen, und sie war weg hier. Wohin sie wollte, wusste sie nicht. Nur weg aus diesem Albtraum.
John betrachtete das Glas Whisky in seiner Hand - das dritte - ehe er die scharfe Flüssigkeit hinunterstürzte.
„Solltest du nicht lieber aufhören?" Adam saß ihm stocknüchtern am Küchentisch gegenüber und betrachtete ihn mit Sorge.
„O nein", erklärte John. Warum ließ ihn sein kleiner Bruder nicht endlich in Ruhe? Es war ihm doch sonst immer egal gewesen, wie es ihm ging.
Adam schüttelte verwundert den Kopf. „So habe ich dich ja noch nie gesehen."
„Nun", sagte John bitter, „so habe ich mich auch noch nie gefühlt." Als wenn er innerlich gestorben wäre. Tot. Alle Lebenslust ausgebrannt.
„Du liebst sie, nicht wahr?" fragte Adam leise.
John goss sich noch einen Whisky ein. Er fühlte sich zwar nicht besser dadurch, aber er begann eine gewisse Betäubung zu spüren. Gut. „Was ändert das schon."
Adam nahm ihm plötzlich den Whisky und das Glas weg und goss den Drink in den Ausguss. „Du hast genug für heute."
„Selbstgerechter Hund", begehrte John auf, ohne auch nur aufzustehen. „Warum gehst du nicht einfach nach Hause?"
Adam seufzte und nahm sein Sakko vom Stuhl. „Das tue ich jetzt auch. Du willst mich ja ohnehin nicht hier haben."
Das stimmte. Er wollte mit seinem Kummer alleine sein. Adam war schon im Flur, als John sagte: „Danke."
Langsam drehte sich sein Bruder um. „Wofür?"
John sah ihn an. „Dafür, dass du mir helfen wolltest."
Adam lächelte. „Morgen früh komme ich nach dir sehen. Und jetzt schlaf deinen Rausch aus." Damit ging er. John blieb sitzen. Er konnte nichts gegen Lucys Sinneswandel unternehmen. Schließlich konnte er nicht nebenan klingeln und verlangen, dass sie ihm wieder vertraute. Also konzentrierte er sich auf den Fall und die Beweise, die er in Maples' Büro überflogen hatte.
Die Morde an Ann und Sylvia hatten an einem Freitag stattgefunden, vier Monate lagen dazwischen. War das Zufall? Was war Besonderes am Freitag? Es war Wochenendbeginn, Zeit zum Feiern, für viele auch Zahltag.
Zahltag. John sah auf. Ann und Sylvia waren beide Kundinnen bei Adams Bank gewesen. Nun, es gab nur zwei Banken in der Stadt, und doch ... ob Adam die beiden Frauen gekannt hatte? Mit ihnen gesprochen hatte? Hatte er ...
John schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Zum Teufel, er hatte wirklich zu viel getrunken.
Bald wurde es hell. Lucy hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Sie fragte sich, wie sie nach den ganzen Erlebnissen überhaupt jemals noch Schlaf finden sollte. Es war einfach zu viel.
Eine Weile war es ganz still im Haus, dann hörte Lucy Dannys Stimme, wie er seiner Frau etwas zu zischte. Die beiden hatten sich die halbe Nacht gestritten, vielleicht wegen Lucys Anwesenheit im Haus. Danny schrie, und Sally sprach beruhigend auf ihn ein. Lucy presste die Hände auf die Ohren, sie konnte es nicht ertragen, dass die beiden sich schon wieder stritten. Sie öffnete das Fenster und steckte den Kopf hinaus, um die Stimmen nicht mehr zu hören. Es klappte. Die Morgenluft tat ihr gut.
Johns Haus war so nahe, dass sie es fast berühren konnte. Im Wohnzimmer brannte Licht. Ob sie von hier aus sehen konnte, was er jetzt gerade machte? Wahrscheinlich schlafen.
Sie holte tief Luft. Das Leben ging nicht gut mit ihr um. Zwei Mal hatte sie sich verliebt, und beide Männer hatten versucht, sie zu töten.
Ein paar Klaviertöne drangen an ihr Ohr. Dann schlief John also auch nicht. „Yesterday" erklang, und sie erschauerte. Schönes, schreckliches Lied ... wie schnell sich doch alles verändern konnte. Und wie deutlich sie die Noten hörte, obwohl doch die Fenster von Johns Haus geschlossen waren. Man musste hier nur ein Fenster öffnen, und schon war man Ohrenzeuge der intimsten Dinge in seinem Haus. Ach, sie hätte stundenlang an diesem geöffneten Fenster stehen und sich einfach der zauberhaften Melodie hingeben können, die John da spielte. Wann hatte das Leben verdammt noch mal beschlossen, nicht mehr gut zu ihr zu sein?
Sallys Mann Danny war vor vielen Jahren Claires Freund gewesen, und kurz vor ihrem Mord hatten die beiden noch einmal etwas miteinander gehabt. Er hasste John. Danny war jähzornig und sicher zu allem fähig, Gewalt, Betrug ... Mord? Aber ja doch, natürlich! Endlich hatte sie die Erklärung! Oder machte sie sich etwas vor? Wollte sie nur ihre Liebe zu John retten? Aber Danny Neil war der Gewalt fähig, das hatte sie in seinen Augen
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