Tiffany Lieben & Lachen Band 0006 (German Edition)
sahen. Offenbar waren sie auf der Suche nach jemandem.
Nach Miss Strassschuh?
Trotz der Hitze fröstelte er. Vielleicht hatte sie die Wahrheit gesagt und war tatsächlich in Gefahr.
Die Instinkte des großen Bruders erwachten in ihm. Er konnte sie nicht diesen Gangstertypen ausliefern.
Er versuchte, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, warf sein Jackett über die Schulter und lief summend die Stufen zur Kapelle hinauf. Aus den Augenwinkeln schätzte er, dass die Gangster noch gut zwanzig Meter entfernt waren. Wahrscheinlich hielten sie ihn für einen Bräutigam an seinem Hochzeitstag. Drake bemühte sich, ein glückliches Gesicht zu machen.
Er schlüpfte in die Kapelle und war dankbar für den Schwall klimatisierter Luft im Innern. Drinnen sah alles noch genauso aus wie vor knapp einer Stunde, als er sie zum ersten Mal für Russells Hochzeit betreten hatte. In der Nische befanden sich mehrere dick gepolsterte weiße Sofas, ein Register und ein Trinkbrunnen. Und der scheußlichste Teppich, den er je gesehen hatte. Er musste einst goldfarben gewesen sein, doch Hunderte von Füßen liebeskranker Besucher hatten seinen Glanz verblassen lassen. Nicht unähnlich dem, was in einer Ehe geschah, wenn der Reiz des Neuen verflog …
Mehrere heiratswillige Paare standen in einer Schlange vor einer verschlossenen Doppeltür, über der ein Schild mit der Aufschrift “Bitte warten Sie, der Pfarrer wird gleich bei Ihnen sein!” hing. Mehrere Paare – und eine verloren wirkende Frau in einem unglaublich hässlichen Hochzeitskleid.
Drake trat neben sie und legte ihr die Smokingjacke um die Schultern. “Tarnen Sie sich lieber. Zwei Mafiatypen laufen draußen herum. Kennen Sie sie?”
Sie erstarrte. “Hat einer von ihnen Pausbacken?”
Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. “Der kleinere der beiden hatte ein rundliches Gesicht und trug ein albernes Hawaiihemd. Sein Kumpel war groß.”
“Das sind sie”, flüsterte sie aufgeregt. “Ich bin tot. Ich hätte mich von ihnen einfach zu einer anderen Kapelle fahren lassen sollen. Aber nein, ich musste ja aus dem Wagen springen und weglaufen …”, sie schaute sich um, mit Tränen in den Augen, “… zur letzten Station für die Liebe oder der letzten Station im Leben, wenn es nach den beiden geht.”
“Eine andere Kapelle?”
Die Frau mit den ausgefallenen Schuhen kämpfte tapfer gegen die Tränen an. “Ich sollte heiraten und bin davongelaufen. Ich traue es Graves Gangstern glatt zu, dass sie mich jetzt umbringen.”
Dem Stand der Ehe zu entfliehen ist ein Grund zu feiern, dachte Drake, nicht um zu töten. Dieser Grave sollte öfter unter Leute gehen oder diese Zurückweisung nicht so persönlich nehmen. Drake überlegte, was er Tröstendes sagen konnte, und tätschelte die Hand der Frau. Sie war eiskalt. Offenbar brauchte die entflohene Braut mehr als beruhigende Worte, um ihr Entsetzen zu überwinden.
“Ich werde mal draußen nachsehen”, erklärte er. “Vielleicht sind sie ja weg.”
Er ging zum Fenster und spähte durch die trüben, goldgewirkten Gardinen hinaus, gerade als die Gangster vorbeigingen. Sie hatte recht. Der Kleine sah aus wie ein Eichhörnchen, das sich die Backentaschen mit Nüssen vollgestopft hat. Der Große hatte ein ausdrucksloses Gesicht, das zu seinem unauffälligen weißen Hemd passte.
Drake kehrte zu der Frau zurück. In beruhigendem Ton sagte er: “Sie gehen die Straße hinunter. Vielleicht gehen sie ja vorbei.”
“Wohl kaum. Sie wissen, dass ich entweder in der Tankstelle auf der anderen Straßenseite oder in dieser Kapelle sein muss.” Ihr kleines Kinn zitterte, als sie ihm in die Augen sah. “Ich hätte mich operieren lassen sollen, aber nein, ich musste mich ja weigern. Dann setzte Grave es sich in den Kopf, dass er mich zu der Operation zwingen könnte, wenn er mein Mann wäre. Die Gangster wollten mich zu einer Kapelle bringen, wo Grave auf mich wartete. Aber an einer roten Ampel bin ich geflohen.”
“Was für eine Operation?”
“Grave hat bis morgen Mittag Zeit, sich mit einem hohen Tier von außerhalb zu treffen, der …” Sie warf Drake einen misstrauischen Blick zu. “Aber Dank meiner Flucht ist der Deal wohl geplatzt. Falls Grave mich allerdings findet und mich zum Altar schleppt, ist der Deal sicher wieder aktuell. Aber wie dem auch sei, da bleiben immer noch die Schulden, die ich zu begleichen habe.”
“Schulden?”
Mit monotoner Stimme fuhr sie fort: “Jetzt werde ich nie eine
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