Tiffany Lieben & Lachen Band 0006 (German Edition)
September unbewohnt.
Melina spähte in die von den Scheinwerfern erleuchtete Dunkelheit. Es schien, als wäre diese Straße kürzlich geräumt worden. Vielleicht hatte jemand sein Sommerhaus für die Party zur Verfügung gestellt?
In der Vergangenheit hatte es seltsamere Orte für das Fest gegeben. Irgendwann hatte mal jemand ein Zelt auf einem zugefrorenen See errichten lassen. Elaine hatte erzählt, dass für diesen Anlass ein halbes Dutzend Skulpturen aus Eis hergestellt worden waren.
Melina warf einen Seitenblick auf den Mountie und überlegte, ob sie ihn fragen sollte, wohin sie eigentlich fuhren. Sie war noch nie verhaftet worden und hatte keine Ahnung, wie sich eine Gefangene zu benehmen hatte. Seine grimmige Miene war nicht besonders einladend. Also fragte sie nicht und schaute auf die Straße, um vielleicht irgendwann zu erkennen, was das Ziel war.
Nach einer Weile bemerkte sie, dass die Schneewände zu beiden Seiten der Straße näher rückten, und dass die Schneedecke auf der Fahrbahn höher wurde. Irgendetwas stimmte hier nicht.
“Officer?”, fragte Melina und musterte halbwegs nervös den Schnee, durch den sie fuhren. Sie fand es nicht sehr weise, noch weiter zu fahren.
“Ja?”, kam es genervt zurück. Der Mountie konzentrierte sich auf den Weg. Es wurde zunehmend schwieriger, den Wagen auf Kurs zu halten, da sich tiefe Rillen im vereisten Schnee befanden. Außerdem schneite es so stark, dass die Scheibenwischer Mühe hatten, die Schneeflocken von der Windschutzscheibe zu fegen. Mehr als einmal geriet der Wagen ins Schlingern.
“Wohin fahren wir eigentlich?”, wollte Melina wissen. Sie waren seit einer Weile keinem einzigen Fahrzeug begegnet. Konnte ja sein, dass sie die ersten Gäste auf der Party waren – aber wahrscheinlich war das nicht.
“Man hat mir eine Wegbeschreibung gegeben.” Er zog sich einen Lederhandschuh mithilfe seiner Zähne aus. Mit der anderen Hand steuerte er den Wagen gekonnt die glatte Straße entlang. Er holte ein Stück Papier aus seiner Brusttasche.
Melina zog ihren Fellhandschuh aus und nahm das gefaltete Papier. In diesem Moment fuhren sie über eine Bodendelle. Ohne dass sie es verhindern konnte, berührte ihre Hand die Finger des Mountie. Es war, als hätte man sie elektrisiert. Sie spürte die Berührung noch Sekunden später.
Irritiert, aber durchaus nicht unzufrieden, lehnte sie sich zurück und entfaltete die Kopie einer Straßenkarte. Es kostete sie einige Verrenkungen, um den besten Winkel zu finden, in dem sie genug Licht erhielt.
“Verflixt!”, rief der Mountie, als der Wagen erneut holperte.
Melinas Kopf machte kurz und schmerzhaft Bekanntschaft mit der Windschutzscheibe.
“Au!” Sie setzte sich wieder ganz gerade hin.
“Tut mir leid …”
Melina hoffte inständig, er würde nicht schon wieder ‘Ma’am’ zu ihr sagen. Alles, aber nicht diesen formellen Quatsch. Sie rieb ihre Stirn, die Kopie immer noch in der Hand.
“Verzeihung”, sagte er.
“Nichts passiert”, erwiderte sie und versuchte erneut, genug Licht zu erwischen, um die Straßenkarte lesen zu können. “Hier steht, wir sollen die Twelve Mile Road nehmen.”
“Genau.” Er nickte knapp. “Ich bin zwölf Meilen nach der Highway-Auffahrt abgebogen.”
Sie starrte ihn ungläubig an. Er warf ihr einen kurzen Blick zu.
“Und?”, fragte er und konzentrierte sich wieder auf die schmale Straße.
“Die Twelve Mile Road kommt nicht nach zwölf Meilen.” Allerdings musste sie zugeben, dass das der Straßenkarte nicht unbedingt zu entnehmen war.
“Wieso?”, meinte er. “Die Five Mile Road kam nach fünf Meilen.” Er schaute Melina vorwurfsvoll an. “Die Eight Mile Road kam nach acht Meilen.”
“Richtig.”
“Und warum ist die Twelve Mile Road dann …!” Das Auto schlitterte seitwärts und rutschte über eine Schneewehe. Melina presste automatisch ihre Hand auf den Oberschenkel des Fahrers. Die Räder drehten durch.
Gleich darauf spannte sich ihr Sicherheitsgurt und quetschte ihr fast den Brustkorb zusammen, so abrupt stoppte der Wagen. Der Sicherheitsgurt gab nach, als das Fahrzeug stillstand, der Motor abgewürgt.
Melina atmete tief durch und nahm ihre Hand vom Schenkel des Mountie. “Was ist passiert?”
Da sah sie im Licht der Scheinwerfer, wie ein großer Elch schwankend über die Straße trabte und mit seinen langen, staksigen Beinen in der Dunkelheit verschwand.
“Was war denn das?”, fragte der Mountie so vorwurfsvoll, als könne Melina etwas
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