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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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muss ich mir etwas einfallen lassen«, antwortete ich scheinbar unbeschwert.
    »Alle diese Jungen sind in Bosnien gewesen.« Ein Echo ihrer früheren Beherztheit schwang in ihrer Stimme mit. »Du musst herausfinden, was da geschehen ist und was Grimshave angerichtet hat. Dafür wirst du frühere Kameraden von van Nunen oder andere UNIFIL-Angehörige aufspüren müssen.«
    »Die UNIFIL war im Libanon. In Bosnien war die UN-PROFOR.«
    »Unterbrich mich nicht. Gib mir lieber mal was zum Schreiben.«
    Ich gab ihr die Visitenkarte von van Nunen. Sie kritzelte etwas auf die Rückseite. »Hier sind Name und Adresse meines ehemaligen Schwagers«, erklärte sie. »Er war früher Sergeant, praktisch überall im Einsatz, und er kennt Hinz und Kunz. Wende dich zuerst an ihn, du kommst praktisch daran vorbei, er wohnt in Amersfoort.«
    »Ja, Mevrouw«, antwortete ich. »Kann ich mich auf dich berufen?«
    Aus ihren Katzenaugen sprang ein kleiner Funke. »Er ist netter als sein Bruder. Schon immer gewesen. Nur erzähle bitte nichts von meiner Dachwohnung. Und jetzt sieh zu, dass du wegkommst. Ich bin schon ein großes Mädchen, ich kann alleine in einen Zug einsteigen.«
    Ich nahm sie in die Arme, während vor dem Bahnhofsdach strömender Regen auf braune Gleise und Güterwaggons niederprasselte. »Wenn du Technik einsetzen musst, dann ruf mich an, Fahrradwerkstatt van Doorn, einzig in ihrer Art«, flüsterte sie an meinem Hals. »Wenn ich nicht selbst komme, kann ich dir einen Freund schicken, der fast genauso gut ist wie ich.«
    Ich küsste sie auf den Mund. »Ich rufe dich sowieso an. Und sei es nur wegen deines Verstandes.«
    »Das hier ist kein Lebewohl«, sagte sie, als müsse sie sich selbst davon überzeugen. Sie schlug mir mit der Faust gegen die Schulter, löste sich von mir und verschwand zwischen anderen Reisenden in Richtung Bahnsteiganfang.
    Als ich losfuhr und die Scheibenwischer einschaltete, sah ich, dass unter einem von ihnen ein verregneter Strafzettel hin- und herschwang. Ich hatte keine Lust, anzuhalten, und ließ den Zettel zu Brei aufweichen. Sollten sie doch mit Handschellen bei meinem Makler-Hauswirt klingeln, um mich deswegen festzunehmen.
    Als ich das Eisenwarengeschäft in dem umgebauten Haus an den Amersfoorter Muurhuizen betrat und Nels Namen nannte, warf der ehemalige Sergeant seiner Frau einen schuldbewussten Blick zu und schleppte mich mit nach hinten in das kleine Büro. Dort schaute er fortwährend auf die sorgsam geschlossene Tür, als habe er Angst, dass sie dahinter stand und lauschte oder, beflügelt von alter Eifersucht und unter neuen Vorwürfen, hineingestürmt käme. Er überschlug sich fast bei der Vorstellung, dass Nel ihn empfohlen hatte.
    »Nel«, sagte er schwärmerisch. »Das ist eine Frau ganz nach meinem Geschmack. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen. Es lag damals nicht an ihr, mein Bruder ist ein Idiot, ein vernagelter Verkehrsbulle. Völlig fantasielos. Ich habe das nie verstanden.«
    Wouter Lopik interessierte sich in erster Linie dafür, mit wem Nel in letzter Zeit Umgang hatte und ob sie inzwischen mit jemand anderem zusammenlebte. Apropos Mangel an Fantasie: Meiner Meinung nach dachte er von dem Moment an nur noch daran, Nel noch am selben Abend heimlich anzurufen, falls keine anderen Bewerber in Sicht waren. Er war ein bleicher Mann zwischen vierzig und fünfzig, in einem alten Kittel, mit klammen Händen und scheuen, nach meinem Gefühl auch ziemlich verschlagenen Augen, die mich überaus missgünstig musterten, als ihm klar wurde, dass Nel und ich intensiv miteinander zu tun hatten. Ihr Exmann musste ein wahres Scheusal gewesen sein, wenn sie diesen Mann netter fand als ihn, aber vielleicht machte ich ihn auch schlimmer, als er war, da ich unberechtigterweise dazu neigte, CyberNel als mein Privateigentum zu betrachten – typisches Hahnenverhalten. Manchmal kann ein bisschen Selbstironie wahrhaftig nicht schaden.
    »Nel hat erzählt, dass du als Sergeant überall gewesen bist, im Libanon, in Bosnien, und dass du bei der UN-Friedenstruppe praktisch jeden kennst.«
    Er strahlte vor Begeisterung und antwortete voller falscher Bescheidenheit: »Nel macht mich wichtiger, als ich bin. Ich habe zwar alles Mögliche erlebt, aber nur im Libanon, vor zwanzig Jahren. Als es nach Jugoslawien ging, war ich schon verheiratet, das Geschäft hier gehörte den Eltern meiner Frau.« Er wies missmutig mit dem Kinn zur Tür. »Nel war ja leider schon vergeben.«
    »Kanntest du sie

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