Tiffany
hörte gar nicht, was ich sagte. »Außerdem musste ich an meine Frau denken. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, welch eine Ruhe zu Hause einkehrte, wie an schmiegsam sie wurde. Sie hatte so viel Leid ertragen müssen, und später teilte ihr Arzt ihr auch noch mit, dass sie nie mehr Kinder bekommen könnte. Der Schaden war irreversibel.«
Er interpretierte mein Schweigen so, als seien wir mit einander fertig, öffnete die Tür und stieg aus. Ich schreckte auf und rief: »He!«
»Was ist denn noch?« Er hielt die Tür auf, bereit, sie zuzuwerfen.
»Was werden Sie denn jetzt in Bezug auf Ihre Tochter unternehmen?«
»Wer, ich?«
Seine gespielte Naivität machte mich rasend. »Nein, ich! Natürlich Sie, wer denn sonst?«
Cornelius zog eine Grimasse. »Madelon ist volljährig, sie steht auf eigenen Füßen, und ich werde jetzt Geige spielen.«
Er schlug die Tür zu und eilte mit langen Schritten zum Restaurant.
10
Irgendetwas an dem, was die Stiefmutter mir erzählt hatte, veranlasste mich, anzuhalten, den Stadtplan von Utrecht zu studieren und in die Stadt hineinzufahren anstatt darum herum. Natürlich lag das nicht zuletzt auch an meinem eingefleischten Ermittlerbedürfnis, einfach keine Spur unverfolgt zu lassen.
Es wurde bereits dunkel, als ich in der freundlichen Straße in Tuindorp parkte. Ich fand das Haus problemlos. Im Vorgarten blühten Narzissen. Die Wohnzimmergardinen waren nicht zugezogen, und ich sah von draußen den blauen Schimmer eines Fernsehers und blonde Kinder auf einem Sofa. Ein friedliches, niederländisches Bild.
Die junge Frau, die mir die Tür öffnete, war ebenso blond wie die Kinder. Sie hatte ein liebes Gesicht, nicht hübsch, aber zart, und blaue Augen. Ich stellte mich vor und fragte, ob ihr Mann zu Hause sei.
Sie ließ die Tür offen stehen, und ich hörte sie rufen. Kurz darauf kam er die Treppe hinunter. Dirk van Kampen war ein kräftiger Mann mit einem jovialen Gesicht, blauen Augen und einem blonden Schnurrbart. Ein rotkariertes XXL-Hemd spannte sich über seinen Lkw-Fahrerbauch. »Da haben Sie aber Glück«, meinte er, nachdem ich mich vorgestellt hatte. »Heute ist mein letzter Ruhetag, ab morgen geht es für vier Tage nach Polen. Worum handelt es sich denn?«
»Um Ihre erste Frau, Trees.«
»So habe ich sie nur genannt, wenn wir uns gestritten haben.« Er grinste. »Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Familie, kommen Sie ruhig rein.«
Ich folgte ihm durch den Flur voller Kinderfahrräder und gelber Regenmäntel in das ebenso unaufgeräumte Wohnzimmer mit den kleinen Kindern auf dem Sofa und dem großen Tisch aus hellem Holz, auf dem Spielzeug, Kinderzeichnungen und Buntstifte lagen.
Van Kampen schaltete den Fernseher aus und klatschte in die Hände. »Los, Kinder, ab nach oben, Papa hat mit dem Meneer hier was zu besprechen.«
Die Kinder schauten mich neugierig an, und seine Frau bot mir Kaffee an.
»Ich mach das schon, Kitty«, sagte van Kampen. »Bring du sie schon mal ins Bett und erzähle ihnen ihre Gute-Nacht-Geschichte. Wir müssen hier etwas klären, das mit Tiffany zu tun hat.«
Mit nach oben verdrehten Augen machte Kitty deutlich, dass sie sowieso keine große Lust hatte, dabei zu sein. Sie nahm das kleine Mädchen auf den Arm und scheuchte den Jungen vor sich her. Die Tür fiel hinter ihnen zu, und ich hörte, wie sie die Treppe hinaufgingen. Ihr Geruch blieb im Zimmer zurück.
»Milch und Zucker?«, fragte van Kampen und schob die Kindersachen auf dem Tisch beiseite, um Platz für den Kaffee zu schaffen.
»Nur Milch, danke.« Ich nahm eine Legokonstruktion von einem Rattanstuhl. »Wie lange ist es her, dass Sie wieder geheiratet haben?«, fragte ich.
»Sechs Jahre. Ich heiße übrigens Dirk.«
»Max. Hast du Trees danach noch einmal gesehen?« Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, sie Tiffany zu nennen.
»Ich habe drei Jahre lang mehr als genug von ihr gesehen.« Er verzog das Gesicht und stellte eine Kaffeetasse vor mich hin. »Nein, ich will auch nichts Falsches sagen. Am Anfang hatte ich sie wirklich gern. Sie war ein hübsches Mädchen, gut gebaut, alles am rechten Fleck. Das ist bei Kitty ja glücklicherweise auch der Fall. Ich kann mich wirklich nicht beklagen, und was man von Lkw-Fahrern so alles behauptet, gilt jedenfalls nicht für mich. Ich brauche nur meine Kitty. Aber Sie hätten Tif mal vor zehn Jahren sehen sollen: ein richtiges Prachtweib.«
»Du musst mich einfach bremsen, wenn ich zu persönlich werde«, sagte
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