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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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um die schreckliche Sünde zu sühnen, dich nackt gesehen zu haben.«
    Er lachte, obwohl er es nicht für möglich gehalten hätte, in einem solchen Augenblick zu lachen. Jemand klopfte an die Tür. Dean steckte seinen Kopf herein.
    »Alles okay mit euch? Wir haben euch streiten hören.« Er warf Hari einen argwöhnischen Blick zu.
    Dela verzog die Lippen. »Ich möchte dich was fragen, Dean. Wenn du vollkommen verliebt mit der Frau deiner Träume zusammen wärst, würdest du dann die Beziehung zu ihr beenden, nur weil sie unsterblich ist?«
    »Teufel, nein. Das ist doch die Phantasie eines jeden Mannes.
    Neunzig zu werden, und dann eine heiße Braut, die meinen Rollstuhl schiebt.«
    »Siehst du?« Dela gab Hari einen Klaps auf die Brust. »Nur dass ich in dem Fall neunzig Jahre alt bin und ein hinreißender Hengst mich überallhin trägt, wohin ich will.«
    »Deine Füße werden den Boden niemals berühren«, versprach Hari und küsste ihre Handfläche. »Dein Körper wird mein Tempel sein.«
    Dean stöhnte und schüttelte den Kopf. »Denk dir mal einen besseren Spruch aus, Mann.«
    »Verschwinde, Dean.«
    Dean murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes, schloss aber hastig die Tür hinter sich. Dela lächelte Hari an.
    »Allmählich findest du deinen Platz in der Bande, was?«
    »Ich ziehe es vor, es als eine beginnende Beziehung mit einem freundlich gesonnenen Clan zu betrachten.«
    »Clan, ja?« Sie rieb ihre Wange an seiner Brust. »Und? Möchte mein Clan-Bruder vielleicht duschen?« Ihre Stimme klang zwar beiläufig, ihre Augen aber waren müde und blutunterlaufen. Sie wirkte fast verunsichert, fand Hari.
    »Natürlich«, murmelte er, als sie ins Bad gingen und sich gegenseitig auszogen. Er stellte sich vor, wie er das jeden Tag für den Rest von Delas Leben tat, und obwohl er traurig war, war seine Freude doch größer. Dela war ein Geschenk, das er feiern musste, nicht betrauern.
    Und er feierte sie. Mit seinen Lippen und seinen Händen, bis sie immer wieder seinen Namen stöhnte.
    Und danach hielt er sie fest in seinen Armen, während sie um Adam weinte.

12
    Adams Selbstmord lastete schwer auf Delas Gedanken, und noch mehrere Tage später schwankte sie zwischen Melancholie und unmittelbarer Niedergeschlagenheit. Sie schloss so lange die Galerie und erhielt in dieser Zeit mehrere Anrufe von Leuten, die sich nach ihrer Gesundheit erkundigten und wissen wollten, ob sie Hilfe benötigte. Dela lehnte immer ab und bedankte sich bei ihren Anrufern für ihre Anteilnahme. »Ich renoviere gerade«, erklärte sie. »In ein paar Wochen ist alles wieder normal.«
    Vielleicht.
    Dela verbrachte viel Zeit in ihrem Atelier und starrte auf die kalte Esse. Ihre Kunst kam ihr wie eine ferne, irreale Erinnerung vor. Alles, was sie geschaffen hatte, wirkte wie ohne Bedeutung oder Substanz auf sie. Sie ignorierte die unfertigen Kunstwerke auf den Arbeitstischen und verschloss ihr Bewusstsein vollkommen gegen Stahl. Sie konnte nur hinsehen, anfassen mochte sie ihre Skulpturen und Waffen nicht. Und sie hörte nicht auf ihr Flüstern.
    War sie nicht in ihrem Atelier, so schlenderte sie durch ihr Haus, unfähig sich einfach nur auszuruhen. Es fiel ihr schwer, sich in ihr Wohnzimmer zu setzen oder am Esstisch zu speisen, von dem aus sie den Boden sehen konnte, auf dem so viel Blut vergossen worden war. Kein Sonnenschein konnte die finstere Atmosphäre vertreiben, die in dem Raum zu schweben schien.
    »Ich will umziehen«, verkündete sie beim Frühstück, drei Tage nach Adams Selbstmord. Ihre Freunde wohnten noch immer bei ihr und würden das auch so lange tun, bis sie etwas von den Zhangs hörten. Zwar zweifelte niemand Haris Fähigkeiten als Kämpfer an, aber selbst er räumte ein, dass es eine gewisse Sicherheit bot, wenn sie zu mehreren waren.
    »Gott sei Dank«, stöhnte Dean.
    Dela sah ihn finster an. »Halt dich nur nicht zurück, Dean. Sag mir, was du wirklich denkst.«
    »Ich denke, du solltest endlich hier raus«, erwiderte er ungerührt. »Hier sind schon so viele Menschen gestorben, dass ich richtig Angst bekomme, ihre Köpfe könnten hier rumgeistern.«
    »Ich kenne einen guten Exorzisten«, warf Blue ein, während er Butter auf seinen Toast strich. »Aber er lässt sich stundenweise bezahlen.«
    »Ach, hört auf damit!« Dela versuchte, nicht zu lächeln. »Ich brauche einfach nur einen Tapetenwechsel, das ist alles.«
    Jemand klopfte an die Wohnungstür. Sechs Augenpaare sahen sich unsicher an.
    »Erwartest du Besuch?«,

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