Tiger Eye
fragte Hari und stand auf. Sein Schwert lag neben seinem Stuhl auf dem Boden. Er hatte sich angewöhnt, es immer in der Nähe zu halten. Er hob es auf, als Dela den Kopf schüttelte. Die anderen Männer entsicherten ihre Waffen. Sie bezogen rasch Stellung im Wohnzimmer, während Eddie Dela ins Schlafzimmer brachte. Der junge Mann ließ die Tür einen Spalt weit offen und lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand.
Dela hörte, wie sich die Wohnungstür öffnete und dann...
»Hey, guten Mor... heilige Scheiße, sind das Kanonen?«
Dela rannte aus dem Schlafzimmer und sah Kit in der Tür stehen. Sie starrte mit offenem Mund auf die Männer, die vergeblich versuchten, ihre Schulterhalfter und Waffen zu verbergen. Hari war der Einzige, der das nicht tat. Er hatte sein Schwert auf den Unterarm gestützt. Der schartige Stahl glänzte silbern.
»Kit! Was tust du denn hier?«
Kit blinzelte und riss ihren Blick von Hari los. »Was ich hier tue? Du hast mich nicht angerufen, seit du aus meinem Konzert geflüchtet bist. Ich hätte dich ja zur Rede gestellt, aber ich musste weg, weil ich noch einen anderen Auftritt hatte. Gerade bin ich zurückgekommen, und was muss ich sehen? Keine einzige Nachricht auf meinem Anrufbeantworter! Also habe ich mir gedacht, dass ich einfach mal vorbeikomme und nachsehe, ob mein Mädchen noch lebt. Und dann empfangen mich diese Kerle wie in einem Humphrey Bogart Film.«
»Dafür möchten wir uns entschuldigen, Miss Bell«, Blue strich sich nervös über sein Haar. »Wir dachten, Sie wären jemand anders.«
Sie hob die Brauen. »Und wer? Der Satan persönlich?« Als sie darauf nur ein schwaches Lächeln erntete, wandte sie sich an Dela. »Selbst auf das Risiko hin, dass du mich für ein anspruchsvolles Miststück hältst, würde ich gern wissen, was hier eigentlich los ist. Ich habe seit dem letzten Tarantino-Film nicht mehr so viel verdrehten Mist gesehen.«
»Ehm...«, Dela sah ihre Freunde Hilfe suchend an. Sie alle zuckten vorsichtig und unverbindlich die Achseln, aber in Haris Augen bemerkte sie ein amüsiertes Funkeln. Aus irgendeinem Grund belustigte sie das, und sie grinste, kurz und etwas gequält, woraufhin sie alle, bis auf den Gestaltwandler, anstarrten, als wäre sie nur eine Haaresbreite davon entfernt, in ein Schlagloch zu fallen.
»Okay«, sagte Dela. »Gehn wir ins Atelier. Da unten ist es ruhiger.«
»Hoffentlich«, meinte Kit. »Wenn ich noch länger zwischen so viel Testosteron rumlaufe, wachsen mir Brusthaare.«
»Ich bin sicher, dass sie Ihnen ausgezeichnet stehen würden«, konterte Dean und widmete sich wieder seinem Frühstück.
»Du mich auch«, gab sie zurück, bevor sie Dela zur Tür hinaus folgte.
Im Atelier machten sie es sich auf der alten grünen Couch gemütlich, die in der Ecke stand, am weitesten von der Esse entfernt. Kit stellte ihre Füße auf die verschlissenen Kissen und schlang die Arme um ihre Knie. Dann sah sie Dela mit hochgezogenen Brauen an und wartete. Geduldig und regungslos.
Was Dela regelrecht Angst einflößte. Ihr Selbstbewusstsein zerkrümelte plötzlich. Sie hatte ihrer Freundin Halbwahrheiten und Lügen erzählen wollen und stellte jetzt fest, dass sie es nicht konnte. Sie trug eine Verantwortung, nämlich der Agentur und ihren Freunden gegenüber, deren Geheimnisse sie nicht verraten durfte. Aber sie hatte auch eine Verpflichtung sich selbst gegenüber. Es fiel ihr zu leicht, die Wahrheit zu verschweigen. Dela hatte die Notwendigkeit zwar immer verstanden und auch akzeptiert, aber Kit war ihre Freundin...
Du hast Adam falsch eingeschätzt, und ihm hast du nicht einmal deine größten Geheimnisse verraten. Wie kannst du sicher sein, dass Kit anders ist?
»Du warst in meiner Gegenwart noch nie so nervös«, bemerkte Kit schließlich. »Komm schon, Dela, spuck’s aus. Was gibt’s da zwischen dir und diesen Jungs? Niemand läuft so mit einer Waffe herum, wenn er nicht guten Grund dazu hat. Verdammt, ich hab noch nie so viele Waffen auf einem Haufen gesehen. Und diese überstürzte Art, wie ihr neulich nachts verschwunden seid... Eure Mienen...« Grimmig presste sie die Lippen zusammen. »Ich weiß nicht, in was du da verwickelt bist, aber es scheint ernst zu sein.«
»Ja«, sagte Dela. »Adam ist tot. Er hat Selbstmord begangen.«
Selbstmord. Was für eine einfache Ausrede. Kit keuchte erschreckt, und Dela verzog das Gesicht. Ihre Trauer schmeckte bitter, während Gram und Hass in ihrem Herzen miteinander rangen. Sie
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