Tiger Eye
haben herausgefunden, wo die Alten hockten, und haben ihren Namen fallen lassen. Und jetzt hör zu: Sie haben sich alle an sie erinnert und hartnäckig behauptet, sie wäre diejenige, die diese tibetischen Gobelins verkaufte, die du erwähnt hast.«
»Nur ist sie es nicht.«
»Mmh. Sie ist es schon. Aber dieses Mädchen ist um die dreißig. Sie hat denselben Namen, dieselbe Ausweisnummer, alles. Und das Seltsamste ist, dass die Datenbank der Regierung Lu Xia auch nicht mehr als tot aufführt.«
»Das ist... sehr merkwürdig.«
»Was du nicht sagst. Ich will gar nicht wissen, wie genau du dich in diesen Schlamassel hineinmanövriert hast, Del. Weißt du, wie schwierig es ist, in so eine verdammte Regierungsdatenbank reinzukommen? Und dann auch noch in diesem Scheiß-China?«
Eine gute Frage. Wie genau war sie in diese missliche Lage eigentlich gekommen, vor allem, da ihr Leben noch bis zur letzten Woche doch ruhig, friedlich und relativ langweilig gewesen war?
Ein Zusammentreffen von Chaos-Karma, sagte sie sich. Zu viel Ruhe erfordert Aktion. Das stellt die Balance wieder her.
»Hast du was von Max gehört?«
»Dieser kleine Mistkerl hat seine Touristen eingesackt und ist jetzt in Quito, der Hauptstadt. Es gibt eine Verzögerung beim Transport, aber in den nächsten Tagen sollte er nach Hause kommen.«
»Glückspilz.« Dela zögerte. »Ich habe keine Anrufe von Mom und Dad bekommen. Oder von Großmutter.«
»Sie haben keine Ahnung, was bei dir los ist«, erwiderte Roland. »Aber du hattest recht, mich zu bitten, ihnen nichts zu sagen. Deine Mutter hätte einen Nervenzusammenbruch bekommen. Oder sie hätte meinen Hintern geröstet.«
»Yancy weiß es. Sie könnte eine Andeutung machen.«
»Sie weiß genau, was ich mit ihr mache, wenn sie das tut«, sagte Roland ernst. Ein bisschen zu ernst.
»Was ist los, Roland? Du klingst deprimiert. Lebst du gerade wieder im Zölibat?«
Erstickte Geräusche, gefolgt von heiserem Husten ertönten hinter ihr am Tisch. Dieses eine Mal hatte Roland keine bissige Antwort parat. »Ich mach mir Sorgen um dich, Del.«
Der Ernst in seiner Stimme erschreckte sie. »Du hast mir deine besten Leute geschickt. Mach dir keine Sorgen, Roland. Ich stehe das durch. Wir alle kommen schon klar.«
»Das weiß ich«, knurrte er griesgrämig. »Hast du was von diesem Magier gehört?«
»Nicht das kleinste Flüstern«, erwiderte sie unbehaglich. Der Magier war die große Unbekannte, die Bedrohung, die sie mehr fürchtete als jede andere.
»Also gut. Jemand piept mich grad an. Pass auf dich auf, Babe. Und mach nichts Dummes.«
Mit diesen Worten legte er auf.
»Delilah?« Hari schob ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr. Sie versuchte zu lächeln und wollte ihm und den anderen gerade sagen, was sie erfahren hatte, aber in diesem Augenblick klingelte das Telefon erneut.
Was denn jetzt noch?
»Hallo?« Sie unterdrückte ein Seufzen.
Das Rauschen war das erste Anzeichen dafür, dass dies kein guter Anruf werden würde.
»Ms. Delilah Reese?« Die Stimme war leise und weiblich.
»Ja?« Ihre Antwort klang eher fragend als bestätigend.
»Meine Name ist Beth Wong. Mein Arbeitgeber, Mr. Wen Zhang, ist in der Stadt und würde sich gern heute Abend mit Ihnen treffen. Falls es Ihnen genehm ist.«
Dela war stolz darauf, dass es ihr gelang, den quiekenden Schrei zu unterdrücken, der in ihrer Kehle hochstieg. »Wen Zhang?«, wiederholte sie cool, obwohl sie ihre Stimme kaum hörte, so laut hämmerte ihr Herz. Sie sah die anderen an und fühlte, wie sie ihre mentalen Waffen durchluden und die Messer schärften. »Ich nehme an, dass ich mir für Mr. Zhang Zeit nehmen kann. Wo möchte er mich denn gern treffen?«
Dean grinste über die kühle Bissigkeit in ihrer Stimme, deutete auf seine Lenden und dann auf Dela. Du hast echt Eier, meinte er lautlos.
Aus Messing, dachte sie.
»Ich glaube, in der Nähe Ihres Hauses gibt es ein Restaurant namens Le Soleil. Kennen Sie das?«
Wenn dies der Ort für den Treffpunkt sein sollte, dann wusste Beth Wong sehr gut, dass sie davon gehört hatte. Le Soleil war das beliebteste Restaurant in der ganzen Stadt und dazu noch Delas Lieblingsrestaurant. Einige ihrer Skulpturen hingen an den Wänden. »Ich weiß, wo es ist«, sagte sie gleichmütig und verbarg ihr Unbehagen darüber, dass einer ihrer Lieblingsplätze der Schauplatz ihres Treffens mit der chinesischen Mafia sein sollte.
»Entzückend. Mr. Zhang wird um zwanzig Uhr dort sein. Sie kommen allein. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher