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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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gegenüber Verpflichtungen hast? Hast du denn all die Menschen vergessen, die dich lieben und die ihr Blut vergießen würden, um dich zu beschützen? Bedeuten wir dir denn gar nichts?«
    »Das ist unfair«, flüsterte sie. Seine Worte hatten sie getroffen. »Das weißt du auch. Du bedeutest alles für mich. Genau deshalb muss ich das hier tun. Die einzige Person, die sich in Gefahr begeben muss, bin ich. Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich, Hari. Ihr Jungs seid bei diesem Fiasko schon genug verletzt worden. Wenn ich der Sache heute Abend ein Ende bereiten kann, werde ich das tun.«
    Hari beugte sich vor, und Dela spürte seinen Ärger und seine Furcht. Das Gefühl durchfuhr sie wie eine glühende Klinge. »Und ich sage, es wird erst dann enden, wenn du tot bist.«
    »Das würde wohl all eure Probleme lösen, was?« Sie war entsetzt darüber, dass sie so etwas sagte, aber sie konnte die Worte einfach nicht zurückhalten.
    Hari reagierte, als hätte sie ihn geschlagen. Er zuckte zurück, seine Miene war sichtlich bestürzt.
    »Hari.« Dela streckte die Hand nach ihm aus. Er schüttelte jedoch nur den Kopf und kehrte ihrem flehenden Blick den Rücken. Lautlos wie ein Geist ging er die Treppe hinab.
    Nein!, flüsterte etwas in ihrem Kopf. Nein, bitte nicht!
    Sie hastete hinter ihm her, trampelte die Treppe herunter, und ihre Verzweiflung machte sie ungeschickt. Sie stolperte, stieß einen leisen Schrei aus, taumelte die letzten Stufen herunter und landete auf dem Rücken.
    »Delilah!« Eine kräftige Hand hob ihren Kopf sanft an, während eine andere zart über ihren Körper strich, so leicht wie ein Schmetterling, und nach Verletzungen suchte.
    »Au.« Sie verzog das Gesicht, als Hari sie vorsichtig in eine sitzende Position aufrichtete. Er war so nah, seine Arme umschlangen sie, hielten ihren Körper, und Dela barg ihr Gesicht an seiner Brust, suchte Trost in seiner Gegenwart, seinem Duft. Ihre Erleichterung war fast überwältigend, was sie schockierte. Wenn er weiter gegangen wäre...
    Wäre ich ihm nachgelaufen wie eines dieser verrückten Mädchen in Filmen. Ich hätte seinen Namen gerufen und mich wie ein Idiot benommen. Aber es wäre die Sache auch wert gewesen.
    »Bist du verletzt?« Als sie den Kopf schüttelte, seufzte er und fuhr mit den Händen durch ihr Haar, presste seine Lippen an ihre Schläfen. »Du hast mir so viel Angst eingejagt, Delilah. Ich wünschte, du könntest verstehen, wie sehr ich fürchte, dich zu verlieren.«
    »Ich bin ein Dummkopf«, murmelte sie. »Und ich bin gedankenlos. Ich denke einfach nicht darüber nach, wie meine Handlungen auf andere Menschen wirken. Ich bin daran gewöhnt, dass meine Freunde aus der Ferne auf mich Acht geben, nicht aus nächster Nähe und persönlich, und das vierundzwanzig Stunden am Tag. Es macht mich nervös und bereitet mir Schuldgefühle, selbst die Ursache für die Probleme von allen zu sein.«
    »Du bist nicht unser Problem.«
    »Entschuldigung. Ich kann dich nicht verstehen.«
    Hari stöhnte. Sein warmer Atem wehte ihr durchs Haar und wärmte ihr Ohr. »Du bist unmöglich.« Er lehnte sich zurück, damit er ihr in die Augen sehen konnte. Dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Es tut mir leid, dass ich all diese Dinge gesagt habe, Delilah. Du hattest das Recht, böse auf mich zu sein.« Er lächelte schwach. »Wir wissen beide, wie impulsiv ich manchmal bin. Es ist nur... Ich vergesse immer wieder, wie selbstständig du bist, wie viel Mut du besitzt. Die Frauen meines Volkes waren wie du. Sie gingen uns auf die Nerven, waren klug und eigensinnig. Aber das war vor zweitausend Jahren, und ich hatte genug Zeit, mich an die... langweiligere Kost zu gewöhnen.«
    Dela hob die Brauen. »Langweiligere Kost? Redest du noch über Frauen oder schon über das Abendessen?«
    Hari küsste sie leidenschaftlich.
    »Ich möchte nicht sterben«, stieß Dela schließlich hervor, als sie wieder Luft bekam. »Ich habe nicht gemeint, was ich sagte.«
    »Das weiß ich.« Haris Augen wurden dunkel vor Schmerz. »Aber ich habe mich geschämt, du könntest vielleicht denken, ich würde überlegen... ich würde empfinden...«
    »Shh«, beruhigte sie ihn und strich mit ihren Fingerspitzen über seine Wangenknochen. »Ich verstehe schon, Hari. So etwas habe ich nie gedacht, nicht einen Moment lang. Aber als du einfach weggegangen bist, hatte ich so große Angst. Ich dachte, du würdest vielleicht aufhören...«
    »Niemals«, unterbrach er sie und stand auf.

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