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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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konnte ihren Blick einfach nicht von ihm losreißen. Ihr dämmerte, dass sich Hari nicht das Geringste dabei denken würde, nur mit diesem Handtuch bekleidet hinaus und unter Menschen zu gehen. Nicht weil er überheblich oder eitel war, sondern weil er sich in seinem Körper so wohl fühlte. Hari mochte ein Sklave gewesen sein, aber nur dem Namen nach. Er war sein eigener Herr, da, wo es darauf ankam. Er besaß seine Seele.
    »Du siehst aus, als würdest du dich an mich heranpirschen«, versuchte sie zu scherzen. Ihr Herz hämmerte.
    Hari lächelte. »Mit wem hast du geredet?« Seine Stimme klang täuschend sanft. Neugierig legte Dela den Kopf auf die Seite.
    »Mit einem alten Freund der Familie. Er heißt Roland. Er wird dir alle Dokumente besorgen, die du brauchst, um dieses Land zu verlassen und nach Amerika reinzukommen. Die Grenzen sind heutzutage weit schwerer zu überwinden, als du gewohnt bist. Du kannst nicht einfach kommen und gehen, wie du willst.«
    »Ich versichere dir«, erwiderte er gelassen, »dass ich an Beschränkungen meiner Bewegungsfreiheit durchaus gewöhnt bin.«
    Dela errötete vor Verlegenheit. Aber bevor sie sich entschuldigen konnte, fragte Hari: »Stehst du dem Mann, der mir hilft, nahe?«
    »Nahe genug.« Seine Frage überraschte sie. »Er gehört praktisch zu meiner Familie.«
    Hari knurrte und hatte die Augen zusammengekniffen. Dela wurde kurz schwindlig. Fischte er etwa nach Informationen über ihr Privatleben? Konnte es sein, dass er... fragte er sich, ob sie einen Freund hatte?
    Amüsiert sprang Dela vom Bett, während sie sich gleichzeitig fragte, ob ihr Ego gerade einen Tanz um ihre Eitelkeit aufführte. Sie schnappte sich ihre Handtasche. Die letzten Stunden waren ein Albtraum aus unkontrollierbaren Umständen gewesen, die strikte Reaktionen erforderten. Und jetzt wurde es für ebenso rigorose Aktionen Zeit.
    »Ich habe einen Plan«, erklärte sie. »Aber zuerst besorgen wir dir etwas zum Anziehen.«
    »Ich habe Kleidung«, erwiderte er.
    »Sieh dir an, wie ich angezogen bin«, sagte Dela. »Und dann denk an die Garderobe, in der du hier aufgetaucht bist.«
    Hari runzelte die Stirn. »Ich würde lieber über deinen Plan nachdenken. Was auch immer es sein mag.«
    Dela seufzte. »Wenn wir Glück haben, können wir dieses Land morgen oder übermorgen verlassen. Wenn mich wirklich jemand ermorden will...«, sie unterdrückte ein Schaudern und schluckte ihre Angst herunter, »dürfte das dieser Person in Amerika erheblich schwerer fallen, weil ich dort zu Hause bin. Es ist zwar nach wie vor gefährlich, aber da leben einfach nicht so viele Menschen. Deshalb ist es einfacher, den Überblick über die zu behalten, die um dich herum sind.« Ganz zu schweigen davon, dass Dela dort Freunde hatte, die ihr den Rücken freihalten würden. Dirk & Steele kümmerten sich immer um ihre Leute.
    »Okay«, erwiderte Hari. »Sonderlich besorgt scheinst du jedenfalls nicht zu sein. Das finde ich merkwürdig.«
    »Ich finde dich merkwürdig«, konterte Dela. »Und nur zu deiner Information: Nur weil ich mir nicht die Haare raufe oder auf den Nägeln kaue, heißt das noch lange nicht, ich hätte keine Angst. Ich gehe damit offenbar ganz einfach nur besser um als die Menschen, mit denen du sonst zu tun hattest.«
    »Offenbar«, erwiderte er.
    Dela knirschte mit den Zähnen. »Selbst wenn wir morgen abreisen können, müssen wir zuvor noch einige Fragen stellen. Ich möchte noch einmal den Dreckmarkt aufsuchen und zu der alten Dame gehen, die mir deine Schatulle verkauft hat. Sie wusste genau, was sie mir da gab, und ich will herausfinden, aus welchem Grund sie das getan hat. Vielleicht weiß sie ja sogar Einzelheiten über deinen Fluch oder etwas anderes, das dir weiterhelfen könnte.«
    Es war bereits fünfzehn Uhr, und der Dreckmarkt schloss um dreizehn Uhr. Sie würde mit Hari gleich morgen früh dorthin gehen, es sich gemütlich machen und warten, bis die alte Frau auftauchte. Ganz einfach.
    Hari zuckte die Achseln. »Ich bin auch neugierig, obwohl es vermutlich reine Zeitverschwendung sein wird. Der Fluch kann nicht gebrochen werden. Meine Haut ist weg.«
    »Pessimismus bringt dich nicht weiter.« Dela hob die Schultern. »Ich werde zum Dreckmarkt zurückgehen und dieser alten Frau ein Loch ins Hirn fragen.«
    Hari erbleichte. Dela schüttelte den Kopf und streckte beschwichtigend die Hände aus. »Nein, ich meine das natürlich nicht wörtlich! Es ist nur so eine Redewendung. Ich will nur alles in

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