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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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jetzt nicht die Zeit, wählerisch zu sein. Sie war nur froh, dass sie ein riesiges Kreditlimit hatte und außerdem genug Geld auf der Bank, um die Kosten selbst auszugleichen. Preiswert einzukaufen war hier unmöglich... Wahrscheinlich wäre selbst Bill Gates bei einigen dieser Preise in Ohnmacht gefallen.
    Dela beobachtete Haris Gesicht, als er die riesige freie Fläche der weißen Fliesen aufnahm, die sich endlos vor ihnen zu winden schien. Sie führte ihn zu einem Glasbalkon, und er starrte in den Abgrund unter ihnen hinab, und dann hinauf auf die hohe Decke mit ihren tropfenförmigen Lampen. Überall funkelte Glas, in den Schaufenstern, die die breiten, hell erleuchteten Korridore säumten, drängten sich Schaufensterpuppen, in schockierend bunte Fetzen gekleidet. Hari hatte sich schon anmerken lassen, dass ihn die Hotellobby beeindruckt hatte. Jetzt jedoch stand er da wie ein Kind und staunte mit offenem Mund.
    »So viel hat sich verändert«, murmelte er, während ihn Dela tiefer in die Einkaufspassage führte. Überall wimmelte es von Menschen; die China World Passage war eine Touristenattraktion, und Dela fühlte sich im Vergleich zu einigen der langbeinigen Gazellen, die an ihnen vorbeischlenderten, recht spießig, vor allem, als sie Hari unverhüllt verführerische Blicke zuwarfen.
    Es freute sie jedoch diebisch, dass Hari die Frauen einfach nur ansah, als gehörten sie zu der Umgebung, die er gerade zu erforschen begann.
    Besitzergreifend, ja?, fragte sich Dela, als sie über ihr merkwürdiges Verhalten staunte.
    Während sie weiterging, wich der Ausdruck des ehrfürchtigen Staunens von Haris Gesicht und machte einer anderen, ernsthafteren Miene Platz.
    »Delilah.« Er berührte sie nicht, aber allein seine Stimme hinterließ eine körperliche Wirkung bei ihr. Ihr Magen kribbelte. »Wir sollten hier nicht lange bleiben«, fuhr er fort. »Ich habe eine so ungeheure Menschenmenge nicht erwartet. Da wird es schwierig sein, dich zu beschützen.«
    Ihr Herz schlug ihr bis in den Hals, ihre Wangen glühten. Verlegen blickte sie zu Hari hoch und bemerkte seinen Gesichtsausdruck. Es war der eines gefährlichen Mannes, eines entschlossenen, mörderischen Mannes.
    Er meint es wirklich ernst damit, mich beschützen zu wollen.
    Diese Erkenntnis erschreckte sie und erhöhte ihre Wachsamkeit. Als Dela sich daran erinnerte, wie er sie bei ihrer ersten Begegnung angesehen hatte, an seine deutliche Verachtung und seinen Widerwillen, kam es ihr wie ein Wunder vor, dass so wenige Stunden so viel verändern konnten. Aber stimmte das wirklich? Bedeutete ihre Sicherheit für ihn nur eine Möglichkeit, nicht wieder in die Schatulle zurückzumüssen?
    Diese Vorstellung schmerzte Dela, aber sie würde es ihm nicht verdenken, wenn sein Selbsterhaltungstrieb ein treibender Faktor bei seiner neu entwickelten Sorge um sie wäre. Andererseits wäre Hari dann ein riesiger Heuchler, und nichts von ihm, vor allem nicht das stille Echo seiner Seele, das noch immer in ihrem Kopf existierte, schmeckte nach oberflächlicher Täuschung.
    Und der Kuss...
    Das ist alles viel zu verwirrend. Immer nur eins zur gleichen Zeit.
    Ja, genau, nur eine Sache gleichzeitig. Ganz gleich, wie Hari ihr gegenüber empfand, Dela hatte ihm ihre Hilfe angeboten, ihre Freundschaft, was sie so gut wie nie tat, und damit sozusagen eine Familientradition fortgesetzt. Nur hatte noch nie so viel auf dem Spiel gestanden.
    »Keine Angst«, erwiderte sie schließlich und versuchte, unbeschwert zu klingen. »Es wird nicht lange dauern.«
    Was sich als eine hundertprozentige Lüge herausstellte.
    Es gab nämlich ein Problem. Männer, die so groß waren wie Hari, verfügten fast nie über seine Statur - Muskeln und Sehnen. Dela hatte keine Schwierigkeiten sich vorzustellen, wie Hari vor dem Fluch ausgesehen haben musste. Wie er durch einen Wald aus sich sacht bewegenden Schatten glitt, im einen Augenblick Mensch, im nächsten ein Tiger. Gewaltig, unheimlich.
    Und sehr dramatisch, doch leider höchst unpraktisch, wenn es darum ging, Kleider zu kaufen. Die Verkäufer und Verkäuferinnen warfen einen Blick auf Hari, geiferten und rannten los. Dela fand sich allmählich damit ab, dass zerfetztes Leinen und Leder ausreichen mussten, als sie zu ihrer ungeheuren Erleichterung endlich einen Herrenausstatter fanden, der Kleider in Haris Größe anbot.
    Mehr als eine Stunde später verließen sie den Laden. Hari wirkte zwar etwas benommen, befand sich aber nun ohne Zweifel im

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