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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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hartnäckiger Zweifel löste nur eine größere Halsstarrigkeit in ihr aus, steigerte ihre Entschlossenheit, ihm das Gegenteil zu beweisen und den Betrug zu beenden.
    »Es ist ganz gut, dass du an Enttäuschungen gewöhnt bist«, erklärte sie.
    Hari lächelte. »Mylady, deine Erlaubnis?«
    »Gewährt«, erwiderte sie.
    Er küsste sie, sanft, zurückhaltend, eine zarte Liebkosung mit den Lippen, leicht wie eine Feder. Seine Zärtlichkeit war fast unerträglich. Dela umarmte ihn, zog sich an ihn, bis sie ganz an seinem harten Körper lag. Es fühlte sich so gut an, ihn zu berühren.
    »Delilah.« Er atmete schwer und unregelmäßig, und es freute sie, dass er genauso benommen wirkte, wie sie sich fühlte. »Wir dürfen uns nicht gehen lassen... Es ist zu gefährlich. Der Magier wird versuchen, die Schatulle in seine Gewalt zu bekommen und dich zu töten... und dann sind da noch die anderen Mörder, die dich angegriffen haben...«
    »Du weißt sehr genau, wie du einem die Stimmung vermiesen kannst.« Dela sah ihn finster an, doch er erwiderte ihren Blick liebevoll. Sie barg ihr Gesicht an seiner Brust. Hari schlang seine Arme um sie und strich ihr mit den Fingern durchs Haar. Er war so groß und warm, so sicher. Aber die Welt war alles andere als das, und Dela dachte an den Magier, den Mann, der Hari gefoltert hatte, der sie hatte entführen wollen und dann seine mentalen Klauen in ihren Körper geschlagen hatte.
    »Wie konnte der Magier all diese Jahre überleben?«, fragte Dela laut. »Glaubst du, dass seine Macht deshalb schwächer geworden ist, weil er sich im Austausch für Langlebigkeit erschöpft hat?«
    Diese Worte aus ihrem eigenen Mund zu hören, kam ihr selbst merkwürdig vor, obwohl es gleichzeitig auch nicht viel eigenartiger klang, als mit ihren Freunden in der Agentur über Telepathie und Hellseherei zu diskutieren. Vermutlich hing es einfach davon ab, woran man gewöhnt war. Und sie gewöhnte sich allmählich an einiges.
    »Ich wünschte, ich wüsste es, Delilah. Meine Ignoranz beschämt mich. All die Jahre hätte ich versuchen sollen, etwas in Erfahrung zu bringen, aber ich war so sehr auf die Gegenwart konzentriert, auf jeden Befehl, darauf, mich von meinen Meistern nicht brechen zu lassen...«
    Er verstummte. Dela hätte ihn gern weiter nach seiner Vergangenheit gefragt, aber sie sagte nichts. Haris Stimme verriet seine aufgewühlten Gefühle, und es bereitete ihr Unbehagen, ihn unter Druck zu setzen.
    »Hari«, fragte sie stattdessen, »warum hat dich der Magier nicht selbst gerufen, nachdem er dich in die Schatulle verbannte?«
    Die Frage schien ihn zu überraschen, und er dachte sorgfältig nach, bevor er antwortete.
    »Das weiß ich nicht. Er hat den Fluch auf meine Brust gebrannt, und dann herrschte nur noch Dunkelheit. Eine Finsternis, auf die plötzlich Licht folgte. Von meinem ersten Ruf durch einen König, der nur den Tod seiner Stiefsöhne wollte. Ich wusste nicht, warum ich dort war oder was geschehen war -sondern nur, dass ich gezwungen wurde, den Befehlen des Königs zu folgen. Ich konnte ihm nicht entkommen, sosehr ich es auch versuchte, Delilah. Und ich habe es wirklich versucht. Später fand ich jemanden, der die Worte entziffern konnte, die auf meinen Körper eingebrannt waren. Ich konnte sie ebenso wenig verstehen wie du. Es war eine höchst verwirrende Zeit, Angst einflößend, weil ich keinerlei Kontrolle hatte und jeder Ruf mich an einen neuen Ort brachte, an dem andere Sitten herrschten, und wo ich mich den Launen von unberechenbaren, häufig grausamen Wesen beugen musste. Ich war nie sicher, ebenso wenig wie die Menschen in meiner Umgebung.«
    Wie musste es sich anfühlen, zum Morden gezwungen zu sein und niemals seine eigenen Handlungen kontrollieren zu können? Die reinste Folter.
    Dela kaute an ihrer Unterlippe. »Aber das ist unlogisch. Man sollte meinen, der Magier hätte von Anfang an versucht, dich zu kontrollieren, dich als eine persönliche Trophäe zu behalten, oder als seinen Prügelknaben. Außerdem frage ich mich auch, warum du nicht einfach von einem Meister zum anderen weitergegeben worden bist und ständig innerhalb einer Familie gerufen wurdest.«
    »Diese Frage kann ich beantworten«, erwiderte Hari spöttisch. »Ich bin ein Sklave, Delilah, also musste ich von jedem, der mich rufen wollte, käuflich erworben werden. Ich habe mich auch häufig gefragt, warum ich nicht ständig gerufen wurde. Dieser Teil des Fluchs ist nicht niedergeschrieben worden. Vielleicht

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