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Tim (German Edition)

Tim (German Edition)

Titel: Tim (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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Unterhaltung und nicht als sportlicher Wettkampf zählt.
    Ich war sprachlos. Mein erster Gedanke war: er wird allen anderen die Show stehlen. Mein zweiter Gedanke war, dass er völlig verrückt geworden war. Was dachte er sich bloß? Ich wäre gerne in seinen Kopf gekrabbelt, um es herauszufinden. Ich wusste, dass ich mit Betsy oder Norman telefonieren musste. Aber erst mal musste ich das selbst verdauen.

    Ich hätte gleich wissen müssen, dass ich überreagiert habe. Tim trifft immer rationale Entscheidungen und ich ging mit dieser Entscheidung um, als wäre sie völlig absurd. Als ich darüber nachdachte, wurde es aber immer logischer. Tim mochte es einfach, aufzutreten. Ich hatte die Freude gesehen, die ihm seine Vorführungen auf dem Schwebebalken machten. Er genoss das Trampolin im Camp und nutzte es sicherlich nicht nur als Trainingshilfe beim Turmspringen. Er mochte die Aufmerksamkeit, die er damit auf sich zog — auch wenn er das vermutlich nicht zugeben würde.
    Er war ein großartiger Springer und Turner, aber in beiden Sportarten ist vieles auf die Form und Inhalt dessen beschränkt, was man vorführen kann. In einem Zirkus gibt es solche Beschränkungen nicht. Dort konnte er machen, was immer er wollte, solange es dem Publikum gefiel. Ich rief zu einer Zeit an, in der ich mir sicher war, dass Tim noch nicht vom Training zurück sein würde. Carl nahm das Gespräch entgegen.
    »Zirkus, richtig?«, lachte er, als er mich erkannte.
    »Sind deine Eltern da?«, fragte ich einfach.
    »Hier ist Dad«, sagte er und gab den Hörer weiter.
    »Hi, Charlie. Carl war sich sicher, dass Tim‘s Brief dich zu einem Anruf inspirieren würde.«
    »Wie durchgeknallt ist unser Junge?«, fragte ich ihn.
    »Durchgeknallt? Glaube ich nicht. Sein eigener Mann? Absolut. Er ist selbst auf diese Idee gekommen. Er hat Sutvan‘s vor ein paar Jahren mal gesehen und mochte die Leute sofort. Sie ließen ihn zwischen der Nachmittag- und Abendshow auf ihrem Trampolin springen. Sie waren beeindruckt und hätten ihn sofort auftreten lassen, aber ihre Versicherung ließ das nicht zu. Er hat sie gleich angerufen, nachdem wir aus London zurück gekommen sind. Sie konnten sich sogar noch an ihn erinnern. Er fragte einfach, ob sie im Sommer einen Platz für ihn frei hätten. Als Antwort sagten sie ihm, dass sie nicht nach einer One-Man-Show suchten. Als Tim vom Turmspringen und Gymnastik erzählte, verbanden sie seine Stimme mit den Fotos in den Zeitungen. Er bekam sofort ein Job-Angebot.«
    »Warum —«, begann ich, aber Norman unterbrach mich.
    »Das ist eine gute Frage. Tim sagt, es gäbe drei Gründe. Erstens, er habe immer davon geträumt, in einem Zirkus aufzutreten. Er versicherte uns aber, dass der eine Sommer mehr als genug sei. Zweitens, er denkt, dass er die Unabhängigkeit für eine Weile braucht. Besonders, wenn er sofort nach seinem Geburtstag mit seinem Freund zusammen ziehen möchte. Vor allem wenn dieser 6 Jahre älter ist. Drittens, es ist für ihn eine die perfekte Möglichkeit zu arbeiten, in Form zu bleiben, ein bisschen Geld zu verdienen und Spaß zu haben. Er fragte sie nach ihrem Arbeitsplan und sie hatten Angst, dass sie ihn verschrecken könnten. Er antwortete, dass das ein Kinderspiel sei.«
    »Seid ihr damit glücklich?«
    »Wir haben unsere Bedenken. Aber du kennst Tim. Er trifft seine eigenen Entscheidungen. Wir haben den Zirkus überprüft, genauer gesagt sind wir noch dabei. Aber da ist bisher nichts negatives. Sie schaffen es gerade so finanziell, aber in Sachen Sicherheit sind sie vorbildlich. Wenn wir ernsthafte Bedenken um seine Sicherheit hätten, würden wir nein sagen und er würde es akzeptieren. Aber die gibt es nicht. Und umso mehr wir darüber nachdenken, desto weniger verrückt klingt die Idee für uns.«
    »Ich glaube, an so etwas werde ich mich gewöhnen müssen. Carl hat mich gewarnt, dass das Leben mit Tim eine Achterbahnfahrt sein wird, die nur im freien Fall ist. Sag Tim ›Hi, ich liebe dich und viel Spaß beim Zirkus‹ .«
    »Das richte ich aus. Tim war sich hundertprozentig sicher, dass du ihn unterstützen würdest. Er kennt dich gut.«
    »Vielleicht zu gut«, antwortete ich, bevor wir uns verabschiedeten.
    In meinem Juni-Brief wünschte ich Tim noch einmal viel Spaß. Ich war mir allerdings sicher, dass Norman meine Grüße ausgerichtet hatte. Zudem hielt ich ihn in Sachen Bogenschießen auf dem Laufenden. Ich verbesserte mich langsam, aber stetig. Ich schrieb ihm, wie sehr er mir

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