Time to Die - Stirb noch einmal
gingen, drückte er ihr eine braune Papiertüte in die Hand. “Kaffee und ein Sandwich. Eine Serviette ist auch drin. Sie können auf der Fahrt essen.”
Sie nahm die Tüte huldvoll entgegen, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass sie kein Schulkind mehr war.
Sei nett
, ermahnte sie sich innerlich. “Danke.”
“Gern geschehen.”
Wenn sie es nicht schon geahnt hätte, wäre sie vielleicht enttäuscht gewesen, dass Deke ihr mit seiner Antwort nicht mal ein Lächeln schenkte. Aber irgendwas sagte ihr, dass dieser Mann grundsätzlich nur sehr selten lächelte.
Ich frage mich, warum.
Als der alte Lastenaufzug seine Türen für sie öffnete, überprüfte Deke den Innenraum und überließ ihr dann den Vortritt.
Lexie dachte daran, dass Cara ein mindestens genauso großes Problem damit haben musste, sich von einem Dundee-Agenten herumkommandieren zu lassen, wie sie selbst. Um genau zu sein, fiel es Cara wahrscheinlich noch um einiges schwerer, ihre vorübergehende Entmündigung zu akzeptieren. Seit sie mit gerade mal vierundzwanzig Jahren von einem Tag auf den anderen die gesamte Verantwortung für Bedell, Inc. und seine unzähligen Mitarbeiter übernehmen musste, war sie gezwungen gewesen, sich eine harte Schale zuzulegen. Schwäche zu zeigen, war ihr seitdem nicht mehr erlaubt. Das war etwas, was sie beide gemeinsam hatten. Sie beide hatten sehr frühzeitig erwachsen werden und sich eine Art Schutzschild gegen die Außenwelt zulegen müssen. Doch tief in ihrem Inneren waren sie beide eigentlich einsame gefühlvolle Frauen.
Nachdem ihr Bodyguard ihr berichtet hatte, dass Lieutenant Desmond auf dem Weg zur Villa war, um ihr persönlich über den Stand der Ermittlungen Bericht zu erstatten, war Cara kurzerhand in ihr Zimmer hinaufgeeilt. Geoff stand nun draußen vor ihrer Tür. Zum Frühstück war Cara in einem grünen Jogginganzug erschienen. Sie hatte geplant, ihren üblichen Morgenspaziergang zu machen. Doch das war gewesen, bevor sie wusste, dass sie gleich Bain begegnen würde.
Cara wusste, dass sie keine klassische Schönheit war. Dafür war sie einfach zu groß, zu sommersprossig und zu rotblond. An manchen Tagen fühlte sie sich so unauffällig wie die Tapete an der Wand. Aber immerhin hatte sie sich nach langen leidvollen Jahren, in denen sie immer unter der strahlenden Schönheit ihrer älteren Schwester gelitten hatte, an ihr Äußeres gewöhnt.
Geoff würde sich höchstwahrscheinlich fragen, warum sie es so eilig gehabt hatte, aber war zu höflich, um sie darauf anzusprechen. Und solange er nicht ahnte, dass Bain Desmond sie nicht ohne Make-up und in ihren schlabberigen Jogginghosen sehen sollte, war ihr das auch egal.
Sie musste zugeben, dass ein Teil von ihr – der Snob, die reiche Erbin – Geoff Monday als Teil des Personals abgestempelt hatte. Nicht, dass sie sich ihm gegenüber herablassend verhalten hätte; niemand litt insgeheim mehr an Selbstzweifeln als Cara. Und doch war sie Edward Bedells Tochter und hatte von Kindheit an die Rechte und Privilegien einer Milliardenerbin genossen. Hätte sie nicht ihre gesamte Jugend über im Schatten ihrer umwerfenden Schwester verbracht, so wäre aus ihr wahrscheinlich ein nutzloses, verzogenes Püppchen geworden. Aber im Gegensatz zu Audrey, die ihre Zeit damit verbracht hatte, Partys zu feiern und ihren Mann zu betrügen, hatte Cara Betriebwirtschaftslehre an der Universität von Tennessee studiert und bereits mit zweiundzwanzig Jahren ihren Abschluss gemacht. Bereits vor den tragischen Ereignissen, die sie über Nacht zur Chefin des weltweiten Konzerns gemacht hatten, war sie die Vizepräsidentin von Bedell, Inc. gewesen. Und aufgrund all ihrer Erfahrung konnte sie mit Gewissheit sagen, dass Intelligenz der Schönheit vorzuziehen war.
Gerade eben jedoch hätte sie, während sie verzweifelt ihren begehbaren Kleiderschrank nach einem passenden Outfit durchwühlte, viel für etwas mehr Schönheit gegeben. Nachdem sie drei verschiedene Ensembles anprobiert und wieder verworfen hatte, entschied sie sich schließlich für ein rotbraunes Wollkostüm mit einem längeren Rock und einer taillierten Jacke. Darunter trug sie eine smaragdgrüne Seidenbluse, deren obere drei Knöpfe sie absichtlich offen ließ. Ihre vollen Brüste waren ohne Frage einer ihrer großen Vorzüge, und sie konnte weiß Gott jede Hilfe gebrauchen, um Bain Desmond zu beeindrucken.
Nachdem sie sich angekleidet, geschminkt und ihr Haar aus dem Gesicht frisiert hatte, damit ihre großen
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