Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Nase. Neben ihr qualmten die Überreste eines Feuers, und Cheftu lag eingerollt wie eine Kellerassel an ihrer Seite. Sie hockten im tiefen Schatten einer nach Westen weisenden hohen Felsklippe, von wo aus man links den Ozean sehen konnte. Chloe rekelte sich und stand auf.
Sowie sie aus dem Schatten krabbelte, nahm ihr die grelle Sonne die Sicht. Es mußte beinahe Mittag sein, vermutete sie und sah sich um. Nirgendwo waren Anzeichen für irgendeine Siedlung zu entdecken, deshalb ging sie vorsichtig ans Wasser. Wie viele Tage waren sie inzwischen unterwegs? Sie wußte nicht einmal mehr, ob sie nach Cheftus Angebot, sie nach Hause zu bringen, noch ein Wort gewechselt hatten. Hatte er die Vereinigten Staaten gemeint? Oder Frankreich? War ihr Zuhause ein bestimmter Ort, oder waren es bestimmte Menschen? Wie sollten sie zu zweit dorthin gelangen? Sie klatschte sich Wasser ins Gesicht, um aufzuwachen. Ein Schrei. Sie hielt inne und lauschte erneut. Es klang wie der Schrei eines Kindes, darum richtete Chloe sich auf, um das Geräusch zu orten.
Der Kieselstrand war vollkommen verlassen. In einigem Abstand zum Wasser erhob sich eine Klippe von etwa sieben Metern, mit einem Windschutz von Akazien bewachsen, durch deren stummelige, knorrige nackte Äste der Wind rauschte. So wie es aussah, hatten die Heuschrecken auch hier gehaust.
Der Schrei schien aus dieser Richtung zu kommen. Chloe wollte darauf zulaufen, doch ihre brennenden Muskeln zwangen sie, sich mit schnellem Gehen zufriedenzugeben. Sie erklomm den Felsen bis sie auf einer Höhe mit den Bäumen war. Hier war das Schreien lauter, und sie sah sich um.
Ein struppiges Fellbündel stürzte sich auf ihre Füße und erschreckte Chloe derart, daß sie einen Satz zurück machte und sich an einem Ast festhalten mußte, um nicht hinzufallen. Das kleine Tier jammerte jetzt kläglich und rieb sich an ihrem nackten Bein. Alle Ermahnungen, keine fremden Tiere zu streicheln, die man Chloe als Kind eingetrichtert hatte, waren wie weggeblasen, als sie neben dem Tier niederkniete. Es sah aus wie eine Art Katze und schnurrte wie ein kleines Motorboot. Fragend blickten die kleinen Augen zu ihr auf, und wie ein Schlag traf Chloe die Erkenntnis, daß sie wie Cheftus’ aussahen, golden und bernsteingelb. Der Kater (sie konnte sehen, daß es einer war) hatte dunkle, honigfarbene Streifen in seinem Pelz und große, spitz zulaufende Ohren mit einer Aureole aus goldenem Fell darum. Sein Schwanz war lang und glatt und mit einer langen, dunklen, honigfarbenen Spitze versehen. Er rollte sich auf den Rücken, um sich an ihrer Sandale zu reiben, und Chloe erkannte, warum er so geschrien hatte.
Auf seinem Fell war ein armreifgroßer dunkler Fleck aus getrocknetem Blut, aus dem eine mit Sand und Schmutz verklebte Wunde leuchtete. Der Kater senkte den Kopf, um daran zu lecken, und sie sah, daß seine rosa Zunge ebenfalls einen Schnitt hatte. Sie hob ihn hoch, ängstlich darauf bedacht, die Wunde nicht zu berühren.
»Aii! Du bist aber schwer«, sagte sie und setzte all ihre verbliebene Kraft ein, das schwere, sich windende Fellbündel festzuhalten. »Was hast du denn da, kleiner Kater?« murmelte sie und besah sich die Wunde genauer. Sein Schnurren verstummte, doch er blieb still in ihren Armen liegen, während sie behutsam die Stelle abtastete und untersuchte. Ein langer Dorn steckte in seiner Flanke. Er war abgebrochen, doch das herausstehende Ende war ebenfalls spitz – wahrscheinlich hatte er sich daran die Zunge verletzt. Der Kater beobachtete sie aus wissenden Augen, und Chloe sah ihn gerade an. »Das muß Cheftu machen«, sagte sie und wickelte ihn in ihren Umhang.
Es war ihr nicht möglich, ihn zu tragen, doch sobald er erkannt hatte, daß sie die Felsen hinunterkletterte, ging er ihr voran und wartete in regelmäßigen Abständen auf sie. Mit ein paar Kratzern und blauen Flecken schaffte sie es nach unten. Als sie wieder bei ihrem Felsen angekommen waren, schlief Cheftu immer noch, obwohl das Sonnenlicht nur noch wenige Ellen von ihm entfernt war. Chloe beobachtete, wie sich das Tier Cheftu näherte und sich neben ihn hockte. Der Kater betrachtete den schlafenden Menschen, gähnte und maunzte dann entschieden.
Cheftu fuhr mit einem Fluch auf. Chloe kicherte, als sie seine wütende Miene sah, bis sie begriff, daß er sein Messer in der Hand hielt. Der Kater, der klugerweise einen Satz rückwärts gemacht hatte, kam jetzt wieder näher, als wollte er ein Bewerbungsgespräch
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