Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
nie von ihm gehört habe. Überrascht sehe ich ihn an.
»Was ist los? Was hat Rebecca getan?«
Rupert sieht aus, als bereue er seinen Ausbruch. »Sie macht den anderen Dienern das Leben schwer«, sagt er zögernd. »Was merkwürdig ist, wo sie dich doch so in ihr Herz geschlossen hat. Allerdings haben die Dienstmädchen der Lady schon ein paar Mal gesagt, dass ein Gesicht wie deines alles wettmachen kann, sogar eine niedere Herkunft.« Er lacht, und ich schüttele verlegen den Kopf.
Einige Minuten nachdem Rupert das Zimmer verlassen hat, höre ich, wie der Knauf meiner Zimmertür gedreht wird. Ich richte den Blick zum Eingang und sehe meine älteste Freundin, Rebecca Windsor, ins Zimmer stürmen. Sie sieht mich mit dem aufgeregten Blick eines Tieres an, das seine Beute gefunden hat. Ich ertappe mich dabei, dass ich ein Stück zurückweiche, als ich meinen Hut abnehme.
»Fröhliche Weihnachten, Rebecca! Ich freue mich sehr, dich zu sehen. Aber wenn dich jemand hier in meinem Zimmer sieht …«
» Mir macht das nichts aus.« Sie dreht sich einmal um sich selbst. »Was sagst du?«
»Es ist fantastisch!«, schwärme ich. »Gerade habe ich zu Rupert gesagt, dass es wie ein Palast aussieht. Es muss wundervoll für dich sein, hier zu wohnen.«
»Ich meinte nicht das Haus «, sagt Rebecca verächtlich. »Ich meinte: Was hältst du hiervon?« Sie deutet auf sich und ihr preiselbeerfarbenes Samtkleid mit der großen Tournüre, in dem sie sich herausgeputzt hat.
Ich ringe um Worte. Die Wahrheit ist, dass Rebecca nie ein besonders angenehmer Anblick gewesen ist, angefangen bei der Blässe ihres strengen Gesichts, über die scharf kantigen Züge unter den schweren, dunklen Brauen bis hin zu ihren schwarzen Haaren, die immer irgendwie schlangenartig aussehen. Die meisten Leute, die ich kenne, finden Rebecca mit ihrem schroffen Äußeren und ihrer sarkastischen Art furchterregend. Ich gehöre zu den wenigen, die sich von ihr nicht eingeschüchtert fühlen.
Als sie zur Welt kam, war ich noch ein kleines Kind und lebte mit meinem Vater in einem der Dienstbotenquartiere im Haus von Rebeccas Familie. Ich war dabei, als sie ihre ersten Schritte machte, und zum Erstaunen aller erwählte sie mich in unserer Kindheit zu ihrem einzigen Freund. Wir spielten zusammen und standen anschließend gemeinsam die Pubertät durch – immer getrennt durch unsere soziale Stellung – obwohl Rebecca mir nie das Gefühl gab, ich wäre unwichtig, weil ich der Sohn des Butlers war. Im Gegenteil, sie hing sehr an mir, und ich konnte mich nie dagegen wehren, mich von ihrer Zuneigung geschmeichelt zu fühlen.
»Und?«, hakt sie nach und wartet auf ein Kompliment.
»Du siehst reizend aus«, lüge ich. »Das Kleid steht dir sehr gut.«
Sie lächelt selbstgefällig und drückt meine Hand. »Ich muss dir etwas ganz Unglaubliches erzählen«, flüstert sie. »Es ist ein Geheimnis. Du bist wahrscheinlich der Einzige, dem ich es verraten werde. Es ist das beste Geheimnis, das ich je hatte.«
Mein Interesse erwacht. »Dann erzähl.«
»Noch nicht. Die Dinner-Gäste können jede Minute eintreffen. Ich glaube, ich verrate es dir nach dem Essen«, sagt sie mit einem geheimnisvollen Lächeln.
***
Die Weihnachtsfeier dauert bis spät in den Abend, und beinahe vergesse ich Rebeccas großes Geheimnis wieder, während ich mein erstes Abendessen als Gast der Windsors erlebe. Es ist nur eine kleine Veranstaltung, nur für die Familie und gute Bekannte, aber dennoch ist eine ganze Armee von Bediensteten im Haus postiert worden, um für das Wohl der Gäste zu sorgen. Mr. und Mrs. Windsor, Rebecca und ihr älterer Bruder George thronen wie die königliche Familie vor dem Weihnachtsbaum in der Grand Hall, um alle Gäste in Empfang zu nehmen, ehe sie weiter in den Salon gehen. Bevor sich die Eintreffenden den Windsors nähern, kündigt Rupert laut ihre Namen an, und als er »Mr. Irving Henry« ausruft, merke ich, dass ich einen hochroten Kopf bekomme.
Der Salon sieht aus wie ein Tempel der Maßlosigkeit, von den duftenden Blumen, die jede Ecke des Raums ausfüllen, über die übertriebenen Abendkleider und den überladenen Schmuck der Damen bis hin zu den protzigen goldenen Taschenuhren der Herren.
Ich stehe allein in einer Ecke und fühle mich unwohl und fehl am Platze, während ich zusehe, wie meine Freunde, die Diener, Getränke servieren. Nach einer halben Stunde erscheint Rupert und stellt sich wichtig in die Tür.
»Madame, das Weihnachtsdinner ist
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