Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
kann? Hat sie dir gesagt, dass das Zeitreisen eine Art Erbschaft ist?«
»Nein.« Staunend sehe ich Millicent an. »Sie sagte, sie wäre auserwählt, diese Kräfte zu besitzen – es gäbe ein Zeitreise-Gen, das sie von Geburt an besäße.«
Millicent kichert leise. »Natürlich. Das möchte sie gern glauben.«
Jetzt hat Millicent meine volle Aufmerksamkeit.
»Was sagen Sie da?«
»Es ist wahr, dass es ein Zeitreise-Gen gibt, und es wird innerhalb einer Familie vererbt. Aber ganz so einfach ist es nicht. Man wacht nicht eines Tages auf und kann wie aus dem Nichts die Vergangenheit oder Zukunft besuchen«, sagt sie mahnend, als hätte ich etwas dergleichen behauptet. »Es gibt ein Hilfsmittel. Einen Schlüssel.«
»Von einem Schlüssel hat Rebecca nichts erwähnt«, sagte ich verwirrt.
»Nein, das hat sie dir vorenthalten, und ich glaube auch zu wissen, warum. Lass mich dir erklären, wie das Zeitreisen funktioniert – und was es mit unserer Gesellschaft auf sich hat.« Mit einer Geste fordert sie mich auf, mich zu setzen.
»Die Zeitgesellschaft ist eine geheime Organisation von Zeitreisenden. Wir bezeichnen uns als Hüter der Zeit. In den vergangenen hundert Jahren konnten wir herausfinden, dass die Fähigkeit, durch die Zeit zu reisen, in der Blutlinie einer Familie liegt. Daher der Begriff Zeitreise-Gen«, enthüllt mir Millicent. »Aber wir alle besitzen einen physischen Schlüssel, den sogenannten Nilschlüssel. Diesen reicht ein Hüter der Zeit kurz vor seinem Tod an einen Angehörigen weiter. Die Fähigkeit zum Zeitreisen ist also nichts, womit man einfach geboren wird, wie Rebecca behauptet, sondern eine Erbschaft.
Jedes Mitglied der Zeitgesellschaft ist demnach mit einem anderen Hüter der Zeit blutsverwandt, wodurch sich erklärt, wie wir unsere Schlüssel erhalten. Du kannst dir sicher vorstellen, wie überrascht ich war, als unsere Detektoren mich über eine neue Zeitreisende in unseren Reihen informierten: Rebecca Windsor. In ihrer Familie hatte es bisher kein Mitglied der Zeitgesellschaft gegeben. Aber in ihrem Hause wohnte jemand, der wirklich registrierter Hüter der Zeit war. Jemand, dessen Angehörigen ich erwartet hatte.« Millicent legte eine Pause ein. »Der Name dieses Hüters war Byron Henry.«
Ich glaube, mein Herz muss für kurze Zeit aufgehört haben zu schlagen. Als ich endlich meine Stimme wiederfinde, bringe ich kaum ein Flüstern heraus.
»Sie müssen sich irren. Das ist unmöglich! Mein Vater war der normalste Mann, den man sich vorstellen kann. Undenkbar, dass er … Er hätte mir davon erzählt …« Ich breche ab, und meine Gedanken rasen in schwindelerregendem Tempo, als mir plötzlich der Abschnitt aus dem Testament meines Vaters wieder einfällt, den niemand von uns verstanden hat. »Mindestens ebenso wichtig wie die Gelder für Irvings Ausbildung an der Universität ist der Schlüssel, den ich ihm hinterlasse …«
»Ich weiß, wie nahe ihr euch gestanden habt«, sagt Millicent freundlich. »Aber du warst zu jung, um es zu erfahren. Eine der strengsten Regeln, die wir bei der Zeitgesellschaft befolgen, ist es, unsere Kräfte geheim zu halten, bis wir uns dem Ende unseres Lebens nähern. Dann dürfen wir die Person einweihen, die den Schlüssel erben wird. Natürlich können die meisten von uns nicht vorhersehen, wann sie sterben werden, weshalb der Letzte Wille für unsere Gesellschaft so wichtig ist.«
Ich reibe mir die Stirn, die von diesen überraschenden Nachrichten schweißfeucht ist, während Millicent fortfährt.
»Ich hatte schon lange nichts mehr von Byron gehört, hätte aber nicht damit gerechnet, dass er gestorben ist. Manche unserer Mitglieder treten jahrelang nicht mit uns in Kontakt. Aber als ich das von Rebecca hörte, wurde ich misstrauisch, und mein Verdacht bestätigte sich, als ich bei meinem Besuch feststellte, dass der Butler nicht mehr Byron Henry war.« Sie beugt sich vor. »Ich bin sicher, dass Rebecca den Schlüssel nach dem Tod deines Vaters gestohlen hat.«
Ich schrecke zurück. »Aber … sie ist meine Freundin. Sie will, dass wir heiraten! Nicht, dass ich ihr keine Abscheulichkeiten zutrauen würde, aber nicht mir gegenüber. Sie weiß, wie sehr ich meinen Vater geliebt habe. Sie kann ihn nicht bestohlen haben.«
»Ich fürchte, es passt alles zusammen«, sagt Millicent. »Vor allem, weil sie mir nicht verraten wollte, von wem sie den Schlüssel hat. Sie gab sich ahnungslos, aber ich weiß, dass sie ihn gestohlen hat. Es stand ihr
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