Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
wiederzuerkennen.«
»Ich habe ihn nicht … nicht gestohlen«, stammelt Rebecca. Zum ersten Mal in all den Jahren, die ich sie kenne, sieht sie nervös aus. »Er hat ihn in meinem Haus zurückgelassen.«
Ihre Worte lassen mich vor Wut beben.
»Wann hast du ihn meinem Vater weggenommen?«, frage ich und pirsche auf sie zu. »Wenn er gewusst hätte, dass er fehlt, hätte er etwas gesagt oder unternommen. Also, wann hast du ihn an dich genommen? Kaum dass er unter der Erde war?« Meine Stimme wird lauter, ich schreie sie regelrecht an und wünsche mir dabei, meine Worte würden schmerzen wie Schläge.
Rebecca streitet es nicht ab, und ich muss mich an einer Stuhllehne festhalten, damit ich sie nicht schlage. »Dann ist es also wahr. Während ich um meinen verstorbenen Vater weinte, hast du ihn bestohlen. Du hast ihm das Wertvollste genommen, was er besaß.«
»Ich wollte dir näher sein, Irving!«, heult Rebecca. »Du musst wissen, dass ich dich immer sehr gemocht habe. Ich wusste, wie sehr du deinen Vater geliebt hast, und wollte ein Erinnerungsstück an ihn haben.«
»Das ist gelogen, und das weißt du!«, brülle ich. »Wenn es wahr wäre, hättest du mir von dem Schlüssel erzählt, du hättest ihn mit mir gemeinsam benutzt, statt mit deinen plötzlichen Zeitreisekräften anzugeben. Und du hättest mich nicht bestochen, dich zu heiraten, damit ich das erleben kann, was mir die ganze Zeit rechtmäßig zustand – was du mir gestohlen hast!«
»Dich bestochen, mich zu heiraten?«, wiederholt Rebecca, als hätte sie meine übrigen Worte gar nicht gehört. »So hast du es aufgefasst?«
»Natürlich. Meine Gefühle für dich sind so romantisch wie für einen Teelöffel«, speie ich aus. »Ich habe dich nie begehrt, niemals! Aber ich war dir ein Freund, ein echter Freund. Ganz im Gegensatz zu dir.«
Rebeccas Gesicht wird totenbleich. Sie blinzelt ein paar Mal kräftig, und verwundert erblicke ich tatsächlich Tränen in ihren Augen. Rebecca weint nie.
Aber ich wende mich von ihr ab, weil ich weiß, dass es nur die Krokodilstränen einer Schauspielerin sind, die ihren Willen durchsetzen will.
Ein Summen ertönt im Zimmer, und kurz darauf erscheinen zwei Wachen in der Tür.
»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, meine Herren. Durchsuchen Sie bitte Miss Windsors Taschen, und begleiten Sie sie anschließend zurück nach New York«, weist Millicent die beiden an. »Bringen Sie sie mit dem Zug nach Hause. Sie ist eine Diebin und Betrügerin.«
Rebeccas Gesicht ist vor Wut abscheulich verzerrt. »Dazu haben Sie kein Recht! Ich bin Rebecca Windsor! Mein Vater könnte Sie …«
»Dein Name hat hier keinerlei Bedeutung«, unterbricht Millicent sie mit Nachdruck.
Einer der Wachmänner zieht ein ledergebundenes Buch aus Rebeccas Handtasche und reicht es Millicent. Lächelnd gibt sie es an mich weiter. »Ich glaube, das gehört dir.«
Es ist das Handbuch der Zeitgesellschaft. Unterdessen tritt Rebecca nach den Wachen und trommelt mit den Fäusten auf sie ein, während diese sie hinausbefördern.
»Das wirst du bereuen!«, ruft Rebecca mir zu. »Du wirst es noch bereuen, mich zur Feindin zu haben. Ich schwöre, ich werde dich vernichten.«
»Versuch es nur«, zische ich, kochend vor Wut. »Es gibt nichts mehr, was du mir noch antun könntest.«
Die Wachen zerren Rebecca fort, ihre Schreie werden schwächer und schwächer, bis sie ganz verstummen. Plötzlich erschöpft sinke ich in einen Stuhl.
»Danke«, sage ich zu Millicent. »Danke, dass du das Vermächtnis meines Vaters gerettet hast. Ich wünschte, ich hätte früher gewusst, wer er wirklich war. Jetzt … hoffe ich, dass ich mich als sein würdiger Nachfolger erweise.«
Millicent legt mir die Hand auf die Schulter. »Das wirst du gewiss. Du bist einer von uns. Du bist ein Hüter der Zeit.«
Die meisten Zeitreisenden sind hellauf begeistert, wenn sie ihre Kräfte entdecken, und schätzen sie bald mehr als alles andere. Einige wenige jedoch scheuen vor ihrer Gabe zurück. Sich von der großen Mehrheit zu unterscheiden, wird oft als »falsch« angesehen, und einige fehlgeleitete Hüter der Zeit sehen in ihrer Fähigkeit den Beweis dafür, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. Wir Hüter der Zeit haben eine Gabe, wir sind auserwählt. Du, der du das liest, hast eine Gabe, du bist auserwählt. Vergiss das nie.
– DAS HANDUCH DER ZEITGESELLSCHAFT
9
M ichele starrte auf das Tagebuch in ihren Händen und konnte nicht
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