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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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du öfter solch merkwürdiges Wettglück?“
    „Ich habe noch nie eine Wette verloren“, antwortete Timm
    gleichgültig. „Ich gewinne jede.“
    Der Steuermann warf ihm einen kurzen Blick zu. „Spiel dich
    nicht auf, Junge! Es gibt Wetten, die kann man einfach nicht
    gewinnen.“
    „Zum Beispiel welche?“ fragte Timm gespannt. „Nennen Sie mir
    eine solche Wette!“
    Wieder ein kurzer forschender Blick des Steuermanns. An dem
    Jungen war ihm irgend etwas nicht geheuer. Aber er war gewohnt,
    auf Fragen Antwort zu geben. So schob er seine weiße Mütze in die Stirn und kratzte sich am Hinterkopf. Wieder flog etwas Hartes ans Fenster. Jonny drehte den Kopf, sah aber nichts. Und plötzlich fiel ihm eine Antwort ein.
    „Ich wüßte eine Wette, die du unmöglich gewinnen kannst,
    Timm.“
    „Auf diese Wette gehe ich ein, ehe ich sie gehört habe,
    Steuermann. Wenn ich sie verliere, können Sie Ihre Flasche Rum
    behalten!“
    „Du willst die Katze im Sack kaufen, Junge? Meinetwegen. Rum
    ist Rum, und wenn du unbedingt verlieren willst: Bitte schön! Wette also mit mir…“
    Der Steuermann unterbrach sich, sah den Jungen an und fragte:
    „Du schließt diese Wette bestimmt mit mir ab? Ich frage nur wegen der Flasche Rum.“
    „Ich gehe auf diese Wette ein!“ sagte Timm so bestimmt, daß
    Jonny beruhigt war.
    „Also dann wette mit mir, daß du noch heute abend reicher sein
    wirst als der reichste Mann der Welt.“
    „Reicher als Lefuet also?“ fragte Timm fast atemlos.
    „Genau das!“
    Da streckte der Junge die Rechte schneller vor, als Jonny erwartet hatte. Dies war die unmögliche Wette. Die Wette, die er verlieren mußte. Mit lauter Stimme sagte Timm: „Ich wette mit Ihnen um eine Flasche Rum, daß ich noch heute abend reicher sein werde als der
    Baron Lefuet.“
    „Junge, du bist plemplem“, sagte Jonny und ließ Timms Hand los.
    „Aber ich habe wenigstens meine Flasche Rum zurück.“
    In diesem Augenblick kam der Kapitän ins Steuerhaus.
    „Was macht denn der Moses hier?“ fragte er mürrisch.
    „Er soll mir eine Tasse Kaffee bringen, Käptn!“ sagte Jonny.
    „Dann soll er sich gefälligst tummeln!“ Timm mußte
    hinunterspringen in die Kombüse. Er hätte dabei singen mögen. Aber wer nicht lachen kann, kann auch nicht singen.
    Als er die Kaffeetasse, die nur an zwei Stellen ein bißchen
    übergeschwappt war, in das Steuerhaus brachte, stand der Kapitän
    immer noch dort. Jonny kniff hinter dem Rücken des Alten grinsend ein Auge zu. Timm tat das gleiche, aber mit ernster Miene. Dann
    sprang er hinunter aufs Oberdeck. Am liebsten hätte er laut gelacht.
    Aber sein Mund formte nur die Grimasse des Lachens. Kein
    munterer Gluckser kam aus dem Bauch herauf.
    Eine kleine ältere Holländerin, die dem Jungen auf Deck
    entgegenkam, war erschrocken über den wilden Ausdruck seines
    Gesichts. Sie sagte später zu ihrer Kabinennachbarin: „In diesem
    Knaben steckt der Teufel. Schließen Sie nachts Ihre Kabinentür zu.“
    Timm verkroch sich in seiner Aufregung hinter der Ankerwinde
    am Heck, hockte sich auf einen Haufen eingerollter Taue und war
    entschlossen, hier bis zur Ankunft in Genua sitzen zu bleiben. Er hatte gehört, daß es in Genua ein berühmtes Marionettentheater
    gäbe. Dorthin wollte er gehen, um zwischen lachenden Leuten ein
    lachender Junge zu sein. Noch schöner aber war die Vorstellung, in den Straßen spazierenzugehen und irgendeinem netten unbekannten
    Menschen zuzulächeln, einem kleinen Mädchen oder einer alten
    Frau. Timm verkroch sich förmlich in diese Vorstellung einer Welt voll Sonne und Freundlichkeit. Daß ihm hierbei vom blauen Himmel
    herab die Sonne ins Gesicht brannte, machte die Träume nur noch
    faßbarer und wahrscheinlicher.
    Durch das Bordmikrophon kam mit scheppernder Stimme eine
    Durchsage, auf die Timm nicht achtete. Er träumte.
    Nach kurzer Zeit wurde die Durchsage wiederholt. Bei der
    Nennung seines Namens horchte Timm auf und bekam so den
    Schluß der Durchsage noch mit:
    „… Thaler sofort zum Kapitän ins Steuerhaus!“
    Wie Seifenblasen zerplatzten die Träume. Plötzlich erschien ihm
    die Sonne beinahe düster in ihrer heißen Heftigkeit. Der Kapitän
    hatte sich in seiner mürrischen Gleichgültigkeit noch nie um Timm gekümmert. Es mußte also ein außergewöhnlicher Anlaß sein, der
    ihn nach dem Jungen rufen ließ.
    Timm hinter der Ankerwinde erhob sich, tappte über das Deck
    und stieg zum drittenmal an diesem Morgen über die

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