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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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den dicken Paul erwischt hatte, das kam, weil ich meine Brille nicht aufhatte.
    »Bist du verrückt!«, schnaufte der dicke Paul zornbebend.
    »Entschuldige!«, stieß ich verwirrt hervor und stand rasch wieder auf. Wir stürzten uns von Neuem ins Getümmel. Mit einem Mal tauchte ein roter Schopf vor mir auf. Der konnte nur Willi Hak gehören. Ich griff zu und packte ihn bei der Brust. Er schlug mir mit der Faust auf die Nase. In der Hitze des Gefechts spürte ich es kaum. Ich gab ihm eine schallende Ohrfeige. Er schrie »Au!« und wollte mir ein Bein stellen. Ich war rascher und kriegte ihn mit einem geschickten Griff in den Schwitzkasten …
    »Lass los!«, heulte er vor Wut und stieß wild mit den Füßen nach mir. Ich hätte ihn um keinen Preis der Welt losgelassen. Endlich konnte ich mich für seine vielen Gemeinheiten rächen. Ihm hatten wir hauptsächlich unser ganzes Unglück zu verdanken.
    »Ergib dich!«, schnaufte ich.
    »Lass los!«, kreischte er wieder. Die Luft ging ihm aus.
    »Ergib dich!«, wiederholte ich zischend.
    »Ja, ich ergebe mich!«, jammerte er. Plötzlich fing er an zu weinen. Ich ließ ihn frei. Im gleichen Moment trat er gegen mein Schienbein. »Au!«, schrie ich und wollte wieder über ihn herfallen, aber er rannte weg. Ich lief hinter ihm her. Wir rasten über den Platz. Plötzlich warf mir jemand einen Knüppel zwischen die Beine. Ich fiel auf die Nase. Als ich mich wieder aufrichtete, war Willi verschwunden. Ich saß mitten auf dem Geißmarkt und blickte mich benommen um. Die Schlacht wogte noch unentschieden hin und her. Den Piraten war es gelungen, die Unseren auf den Geißmarkt zu drängen, aber die Schutztruppe verteidigte jeden Fußbreit des Bodens unverdrossen. Überall rangen und boxten Jungen miteinander. Die meisten Stöcke waren schon kaputt. Thomas kämpfte gleichzeitig gegen mehrere Gegner. Seine Fäuste prasselten wie Kolben auf die Köpfe seiner Feinde. Heinz Himmel stand ihm treu zur Seite und wehrte die Stockschläge gegen ihn ab. Vor Frau Weißmüllers Milchladen ging es besonders hoch her. Hier bildeten die Schutztruppler und die Piraten einen unentwirrbaren Knäuel. Fritz Schlüter, Karl Benz und Ludwig Keller gewannen Schritt für Schritt Raum. Merkwürdigerweise war der blutige Oskar nirgends zu sehen. Vor der Apotheke erblickte ich Marianne. Zwei Piraten waren über sie hergefallen und entrissen ihr gerade ihren Stock. Sie wollten sie gefangennehmen und zausten sie an den Haaren, aber Marianne schlug mit beiden Händen und Füßen um sich. Sie wehrte sich wie ein wildgewordenes Pony. »Ihr Esel!«, hörte ich sie schimpfen. »Ich werd’s euch schon geben!«
    Ich war mit einem Satz auf den Beinen und lief zu ihr hin, um ihr beizustehen. Aber auch Thomas hatte ihre gefährliche Lage plötzlich erkannt. Mit einem gewaltigen Stoß machte er sich von seinen Gegnern frei und flog förmlich über den Platz auf Mariannes Bedränger los. Knapp vor mir hatte er die feigen Piratenlümmel erreicht und stieß sie heftig mit den Köpfen gegeneinander. Sie schrien entsetzt auf und ergriffen die Flucht.
    Dann wandte sich Thomas furchtbar zornig an Marianne und befahl ihr, sofort den Geißmarkt zu verlassen. »Bist du verrückt! Lauf rasch ins ›Goldene Posthorn‹! Dort bist du in Sicherheit!«
    Mariannes Kulleraugen blitzten ihn zornig an. Sie rümpfte die Nase und rief:
    »Ich muss sie alle verhauen.«
    Ich packte sie beim Handgelenk, aber sie riss sich los und raste über den Platz, um sich wieder ins Kampfgetümmel zu werfen.
    Thomas und ich setzten ihr nach.
    Die Schlacht wendete sich allmählich zu unseren Gunsten. Die Piraten wurden langsam wieder in die Seitengassen gedrängt. Wir befanden uns auch leicht in der Mehrzahl. Dafür kämpften die Piraten viel gemeiner und rücksichtsloser als wir. Aber es nützte ihnen doch nichts. Sie mussten zurückweichen.
    Plötzlich ertönte von der Langengasse herüber ein wildes Geheul. Thomas und ich blieben erschrocken stehen.
    »Kreuzdonnerwetter!«, fluchte Thomas. »Der blutige Oskar fällt uns in den Rücken!«
    Aus der Kollersheimer Straße brach ein neuer starker Trupp Piraten unter der Führung des blutigen Oskar hervor. Sie bogen im Sturmschritt in die Langengasse ein.
    »Die Elektrische!«, schrie ich entsetzt.
    Aber es war schon zu spät. Die Piraten stürmten den Wagen und besetzten ihn. Sie stießen ein Triumphgeheul aus, als sie die Kartoffelsäcke entdeckten.
    Thomas brüllte über den Platz: »Heinz! Fritz

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