Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Schlüter, Max Pfauser, her zu mir!«
    Die drei lösten sich rasch von den Kämpfenden und kamen zu uns herübergerannt.
    »Wir müssen Oskar fangen!«, stieß Thomas hervor. »Dann haben wir die Schlacht gewonnen!«
    Inzwischen waren die Piraten auf dem Geißmarkt mit Hurragebrüll zu Oskar gelaufen.
    Die Schutztruppler sammelten sich um uns.
    »Vorwärts! Wir müssen die Bahn zurückerobern!«, kommandierte Thomas mit donnernder Stimme und rannte los.
    Wir stürzten hinterher.
    Als wir in die Nähe des Wagens kamen, erlebten wir eine böse Überraschung.
    Ein Hagel von Kartoffeln empfing uns. Die Piraten hatten alle Säcke geöffnet und bewarfen uns mit dem mühsam herbeigeschafften Abendbrot. Die Geschosse taten höllisch weh.
    Wir brachten uns schleunigst wieder in Sicherheit. Die Feinde stimmten ein schallendes Hohngelächter an. Oskar stand vorne auf der Plattform der Elektrischen und drohte mit der Faust. »Kommt doch ran, ihr Feiglinge!«, brüllte er.
    »Vorwärts!«, rief Thomas uns zu. »Wir müssen es schaffen!«
    Wieder gingen wir zum Angriff über. Aber die Kartoffeln prasselten in solchen Mengen auf uns hernieder, dass wir vor Schmerzen schreiend flohen. Wir konnten die Geschosse auch nicht zurückwerfen, weil wir sonst die Scheiben des Wagens zertrümmert hätten.
    Die Piraten frohlockten. Sie blockierten die Langengasse, und unter dem Schutz ihrer »Kartoffelfestung« schwärmten jetzt viele Piraten aus, um sich an die Geschäfte heranzumachen.
    »Sie wollen die Läden plündern!«, schrie der kleine Heinz entsetzt. Wir hielten rasch einen Kriegsrat ab. Ein Teil unserer Mannschaft sollte versuchen, den Piraten in den Rücken zu fallen. Max Pfauser und Robert Punkt bekamen ein Drittel unserer Streitmacht mit. Sie rannten durch die Pfarrgasse. Sie wollten über die »Stiege« in die Langengasse eindringen, um die Feinde von der anderen Seite her anzugreifen.
    Der Hauptteil unserer Armee blieb auf dem Geißmarkt. Wir mussten auf jeden Fall das Rathaus und das »Goldene Posthorn« schützen. Wenn die Piraten den Platz erobert hätten, wären wir verloren gewesen. Es bestand die große Gefahr, dass sie, mit ihren Geschossen bewaffnet, zum Sturmangriff übergingen.
    »Ich habe eine Idee! Zehn Mann sofort mir nach!«, schrie ich. Und schon rannte ich in die Rathausgasse, auf das Feuerwehrgebäude zu.

22
    Kartoffeln fliegen durch die Luft
    Das Feuerwehrgebäude war nicht zugesperrt. Fritz Schlüter hatte den Kran zum Aufrichten des heiligen Matthäus geholt und das Tor offen gelassen. Ich lief auf den Hof, die zehn Schutztruppler hinter mir her.
    Im Wagenschuppen stand die Feuerspritze.
    »Rasch den Schlauch abwickeln!!«, befahl ich. Sie packten ihn und rollten ihn in großer Eile ab. Wir schleppten den Schlauch im Galopp zum Geißmarkt. Als wir mit unserm »Geschütz« auf dem Geißmarkt erschienen, stießen die Schutztruppler ein Freudengeheul aus. Sie stürmten uns entgegen, und Thomas rief: »Fabelhafte Sache, Geheimrat!«
    Ich befestigte den Schlauch am Hydranten neben der Rathaustreppe, packte die schwere metallene Spritze und lief auf die Langengasse zu. Die Piraten konnten uns nicht sehen, weil wir durch das Eckhaus an der Langengasse gedeckt wurden.
    »Aufdrehen!«, schrie ich. Thomas übernahm die Bedienung des Hydranten und öffnete das Ventil. Das Wasser schoss mit großem Druck in den Schlauch, ich wurde beinahe umgeworfen. Ein riesiger Wasserstrahl fegte im hohen Bogen über den Platz. Ich musste meine ganze Kraft aufwenden, um die Spritze halten zu können. Max Pfauser, Heinz Himmel und Ludwig Keller sprangen mir bei. Sie packten den Schlauch und schleiften ihn bis zur Langengasse. Dann bogen wir um die Ecke. Ich richtete den armdicken Strahl auf die Elektrische. Die Piraten in und um den Wagen heulten entsetzt auf. Vor Schreck vergaßen sie, Kartoffeln zu werfen. Ehe die Feinde überhaupt zur Besinnung kamen, räumte mein »Geschoß« schrecklich unter ihnen auf. Wo der Strahl hintraf, fielen sie wie die Fliegen um.

    Oskar und seine Adjutanten krochen auf allen vieren von der vorderen Plattform ins Innere des Wagens. Die anderen Piraten flüchteten schreiend hinter die Elektrische. Thomas sammelte die Schutztruppe zu einem neuen Angriff. Inzwischen war Fritz Schlüter mit seiner Mannschaft durch die »Stiege« in die Langengasse eingedrungen und setzte im Rücken der Feinde zum Sturm an. Die Piraten waren in einer bedrängten Lage. Plötzlich wagten sie einen tollkühnen Gegenangriff. Ein