Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
ihnen angerichtet.
Sie brachen in ein Wutgeheul aus und rannten dem Wagen nach.
Ich stürzte hinter meiner Ecke hervor und schrie: »Schaut nur! Schaut!«
Die Schutztruppler umringten mich und sahen mit fassungslosem Staunen auf die davonfahrende Bahn. Der Wagen fuhr langsamer. Er blieb auf der ansteigenden Kollersheimer Straße stehen. Inzwischen hatte Oskar ihn als Erster erreicht und fiel mit einem Wutschrei über den kleinen Heinz her. Er boxte ihn in den Magen. Heinz knickte zusammen und stürzte von der Plattform hinunter aufs Pflaster. Mehrere Piraten warfen sich auf ihn, da flog Thomas wie ein Pfeil die Langengasse entlang, rannte drei Feinde, die sich ihm in den Weg stellen wollten, glatt über den Haufen und riss Heinz’ Bedränger zurück. »Ihr Schufte!!« brüllte er. Sofort war er in ein furchtbares Handgemenge verwickelt. Die Feinde griffen von allen Seiten an.
»Vorwärts, mir nach!«, brüllte ich und rannte Thomas zu Hilfe. Die gesamte Schutztruppe stürmte los. Unser Angriff erfolgte so rasch, dass die Piraten keine Zeit mehr fanden, die Elektrische zu besetzen. Wir jagten sie auseinander. Ehe sie sich wieder sammeln konnten, war die Bahn in unserem Besitz. In fieberhafter Eile bewaffneten wir uns mit Kartoffeln und jetzt drehten wir den Spieß um. Ein Trommelfeuer von Kartoffeln prasselte auf die Piraten nieder. Sie flohen. Wir setzten ihnen nach. Kartoffeln schleudernd, trieben wir sie vor uns her. Viele flüchteten in die Hauseingänge, andere rasten Schutz suchend zum Geißmarkt. Sie wollten sich dort ins »Goldene Posthorn« retten. Da kamen sie aber vom Regen in die Traufe. Die Mädchen fielen mit Kochlöffeln, Besenstielen und Teppichklopfern über sie her. Die früheren Piratinnen taten sich sogar besonders hervor bei der völligen Niederwerfung des Piratenaufstandes. Sie hatten endlich eingesehen, dass es für alle Kinder am besten war, wenn Thomas und seine Freunde in Timpetill die Oberhand gewannen.
Die Schlacht war zu Ende. Die Piraten waren vernichtend geschlagen. Sie waren entweder gefangengenommen oder geflohen. Willi Hak und Hannes Krog hatten sich ergeben. Die beiden wurden von einer starken Schutztruppenmannschaft bewacht. Als Oskar erkannte, dass er das Spiel verloren hatte, versuchte er, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Aber sein Plan missglückte. Thomas rannte ihm nach und holte ihn ein. Der Piratenhäuptling stellte sich mutig zum Kampf. Die letzte große Auseinandersetzung zwischen den beiden Rivalen begann.
Sie gingen mit maßloser Erbitterung aufeinander los. Der Zweikampf fand mitten auf dem Geißmarkt statt. Die Kinder von Timpetill bildeten einen riesigen Kreis um Thomas und Oskar. Sie warteten voll ungeheurer Spannung auf den Ausgang des Kampfes.
Der blutige Oskar versuchte zuerst, Thomas niederzuboxen. Aber da war er an den Falschen geraten. Thomas wich den Hieben geschickt aus und schlug blitzartig zurück. Jetzt ging Oskar zum Ringkampf über. Er wollte seine größere Kraft ausnutzen. Thomas war viel zu gewandt, um sich packen zu lassen. Oskars Gesicht schwoll rot an. Er wurde rasend vor Wut, verlor die klare Überlegung und beging einen Fehler. Er senkte den Kopf und rannte seinen Gegner an. Thomas sprang beiseite, und Oskar fiel hin. Thomas sprang ihm auf den Rücken und ließ ihn nicht mehr hochkommen.
Die Kinder ringsumher jauchzten vor Freude und schrien: »Hurra!! Thomas hat gesiegt!«
Oskar zappelte verzweifelt am Boden, aber Thomas hielt ihn eisern fest. »Ergib dich!«, keuchte Thomas.
»Nein«, stöhnte Oskar.
»Gib dich geschlagen! Du hast verloren!«, brüllten alle Jungen im Kreise.
»Na, wird’s bald!«, sagte Thomas.
»Ich ergebe mich!«, hauchte Oskar heiser.
Thomas sprang auf. »Max, Fritz, nehmt ihn gefangen!«, befahl er.
Max Pfauser und Fritz Schlüter liefen herbei und packten Oskar am Kragen.
Die Kinder johlten: »Besiegt! Besiegt!«
Der Piratenhäuptling stand da und ließ den Kopf hängen. Der blutige Oskar war ein geschlagener Mann. Er wurde von einer Schutztruppmannschaft abgeführt und mit Hannes Krog und Willi Hak in die Zelle des Gendarmerieamtes eingesperrt.
Mit einem Mal schrie Thomas auf: »Mein Gott! Heinz haben wir vergessen!« Er rannte eilig in die Langengasse. Ich lief hinter ihm her. Wir sahen schon von Weitem, dass irgendetwas los war. Der kleine Heinz lag neben der Elektrischen am Boden und rührte sich nicht. Marianne und der dicke Paul knieten bei ihm. Wir kamen angestürzt, und ich fragte
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