Tina und Tini überlisten den Meisterdieb
Viel Spaß!“ sagte die Großmutter. „Und kommt pünktlich zurück, das Schiff legt um sechs Uhr abends ab.“
„Keine Sorge!“
Gegen fünf Uhr kehrten sie erschöpft und randvoll mit neuen Eindrücken auf die „Lucia“ zurück. Sie fühlten sich, als ob sie nach Hause kämen, als sie die Gangway betraten.
„Gehen wir gleich schwimmen? Ich lechze nach einem kühlen Bad!“ Tina fuhr sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn.
„Na logisch. Wir treffen uns im Pool —in fünf Minuten!“ rief Tobbi und sprang die Treppe zum B-Deck hinunter.
Tina und Tini liefen den Gang entlang zu ihrer Kabine.
„Au!“ schrie Tina auf. Tini hatte sie kräftig in die Rippen geboxt und legte jetzt warnend den Finger auf die Lippen.
Tina folgte Tinis Blick. Den Gang entlang wallte, in einen geblümten Hosenanzug mit weiten Hosenbeinen gehüllt, aut dem Kopf ein Wagenrad von einem Sonnenhut, die elegante Erscheinung, über die sie sich heute mittag unterhalten hatten.
Tina pfiff durch die Zähne.
„Ein Jammer —so vornehm werde ich nie!“
„Hast du das Armband gesehen?“
„Hm, mindestens ein Pfund Gold.“
„Wenn sie in den Swimming-pool springt, geht sie gleich auf Grund, bei dem Gewicht der Klunker.“
„Recht geschieht’s ihr. Nun komm!“
An einer geschützten Stelle, etwas abseits vom Pool, fanden sie die Großmutter auf einem Liegestuhl über ein französisches Journal gebeugt. Sie sah rosig und vergnügt aus.
Tina gab ihr einen Kuß. „Hast du einen erholsamen Nachmittag gehabt?“
„Ja, denk dir, und einen sehr amüsanten dazu!“
„Wirklich? Erzähl, was hast du erlebt?“ Tobbi war zu ihnen herangetreten.
„Stellt euch vor, ich lag auf meinem Bett in der Kabine, um mich noch ein wenig auszuruhen — der Großvater hatte sich mit einem Herrn im Lesesaal zu einer Partie Schach verabredet —, da klopfte es, und eine junge Frau kam herein. Sie war völlig aufgelöst, erzählte mir, sie sei meine neue Kabinennachbarin und eben erst an Bord gekommen. Und da hat sie feststellen müssen, daß sie auf der Reise nach Lissabon einen ihrer Kofferschlüssel verloren hatte. Nun bat sie mich händeringend, ihr zu helfen. Wir gingen also in ihre Kabine hinüber und probierten meine sämtlichen Schlüssel aus. Und tatsächlich: einer meiner Kofferschlüssel paßte! Sie war so überglücklich, das arme Ding, daß sie den Kabinen Steward eine halbe Flasche Champagner bringen ließ, um mit mir — wie sie sagte — auf ihre Retterin anzustoßen. Wir haben dann ganz entzückend geplaudert. Sie kommt aus Lausanne, und ihr wißt doch, daß ich als junges Mädchen einmal dort war, um Französisch zu lernen.“
„Eine junge Frau, sagst du?“ fragte Tina lauernd.
„Ja, und sie scheint sehr vermögend zu sein, ihrem Schmuck und den Kleidern nach zu urteilen. Sie hat ein schreckliches Schicksal hinter sich, die Ärmste, in einem Jahr den Ehemann und die Mutter verloren. Jetzt macht sie diese Reise, um auf andere Gedanken zu kommen.“
„Wie heißt sie?“
„Oh, sie hat einen schrecklich komplizierten Nachnamen, ich konnte ihn mir nicht merken. Aber sie bat mich, sie Madame Yvonne zu nennen. Ich habe ihr dann ein wenig das Schiff gezeigt, es ist ihre erste Seereise. Ich denke, wir werden jetzt öfter unsere Zeit miteinander verbringen. Eurer Mutter wird sie sicher auch gefallen.“
„Fein. Dann ziehen wir uns jetzt wieder zurück, Großmutti, wir brauchen nämlich dringend eine kleine Erfrischung. Bis später!“
Eine halbe Stunde lang schwammen und tauchten sie, dann wickelten sie sich in ihre Bademäntel und ließen sich erschöpft in die nächsten Liegestühle fallen. Aber es wurde bald zu kühl, und so gingen sie in ihre Kabinen, um sich umzuziehen.
Die „Lucia“ rüstete sich zum Auslaufen, auf den Gängen war es leer, alles stand an der Reling, um das Ablegemanöver zu beobachten. Als Tini ihre Kabine aufschloß, kamen Direktor Müller und Mausi den Gang herunter. Mausi hatte verweinte Augen, und Herr Müller schien sehr ärgerlich zu sein.
„Wie kann man so ein kostbares Stück verlieren, das ist mir einfach unbegreiflich!“ schimpfte Herr Müller leise. „Wann wirst du endlich lernen, den Wert der Dinge zu respektieren!“
Mausi schluchzte auf. „Beim Mittagessen hatte ich ihn noch, das weiß ich ganz genau! Ich muß ihn an Deck verloren haben, ich kann mir das gar nicht erklären!“
„Einen Brillantring von der Größe verliert man nicht einfach!“ knurrte Herr
Weitere Kostenlose Bücher