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Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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»ich bin einfach nie…«
    »Sag’s mir nicht«, unterbrach der Marsianer. »Ich weiß es schon.«
    »Mein Sohn«, sagte Webster, »geht in wenigen Tagen zum Mars. Ich werde ihn bitten, dich aufzusuchen.«
    »Das würde mich freuen«, sagte Juwain. »Ich werde ihn erwarten.«
    Unsicher starrte er auf das Stützgestell. »Vielleicht hält er die Tradition aufrecht.«
    »Nein«, sagte Webster. »Er studiert Ingenieurwissenschaften. Die Chirurgie hat ihn nie interessiert.«
    »Er hat ein Recht darauf«, bemerkte der Marsianer, »sein eigenes Leben zu leben. Dennoch, es muß erlaubt sein, daß man sich etwas wünscht.«
    »Das darf man«, stimmte Webster zu. »Aber das ist vorbei und erledigt. Vielleicht wird er einmal ein bedeutender Ingenieur. Raumingenieur. Er spricht von Schiffen, die zu den Sternen fliegen.«
    »Vielleicht hat deine Familie genug für die medizinische Wissenschaft getan«, gab der Marsianer zu bedenken. »Du und dein Vater…«
    »Und dessen Vater vor ihm«, warf Webster ein.
    »Dein Buch«, erklärte Juwain, »hat den Mars zu deinem Schuldner gemacht. Es kann erreichen, daß der marsianischen Eigenart mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Meine Leute sind keine guten Mediziner. Merkwürdig, wie sich der Verstand der Rassen entwickelt. Merkwürdig, daß die Marsianer nie an Medizin gedacht haben. Im Wortsinn nie daran gedacht. Kompensierten diese Notwendigkeit mit einem Kult von Fatalismus. Dagegen gab es selbst in eurer Frühgeschichte, als die Menschen noch in Höhlen lebten…«
    »Es gibt viele Dinge«, sagte Webster, »an die ihr gedacht habt – und wir nicht. Dinge, bei denen wir uns heute fragen, wie wir je ohne sie auskamen. Fähigkeiten, die ihr entwickelt habt, und die wir nicht besitzen. Nimm nur dein eigenes Spezialgebiet, Philosophie. Sie ist anders als die unsere: eine Wissenschaft; während unsere nie mehr war als geordnetes Tasten. Eure eine systematische, logische Entwicklung der Philosophie, handhabbar, praktisch, anwendbar, ein wirkliches Werkzeug.«
    Juwain begann zu sprechen, zögerte, sprach dann weiter. »Ich nähere mich da einer Sache, etwas, das neu und verblüffend sein kann. Etwas, das für Menschen und Marsianer gleichermaßen ein Werkzeug sein kann. Ich habe Jahre daran gearbeitet; ich habe mit bestimmten geistigen Begriffen angefangen, zu denen ich durch die Ankunft der Erdmenschen angeregt wurde. Ich habe nichts davon gesagt, weil ich nicht sicher sein konnte.«
    »Und jetzt«, vermutete Webster, »jetzt bist du sicher.«
    »Noch nicht ganz«, sagte Juwain, »nicht endgültig. Aber fast.«
    Schweigend saßen sie da und beobachteten die Berge und den See. Ein Vogel flog heran, setzte sich in einen der dürren Bäume und zwitscherte. Dunkle Wolken ballten sich hinter den Gebirgsketten zusammen, die schneebedeckten Gipfel ragten wie Grabsteine heraus. Die Sonne versank in einem See von Blutrot und erlosch schließlich wie das Glühen eines heruntergebrannten Feuers.
    Es klopfte an einer Tür, und Webster fuhr in seinem Sessel zusammen; plötzlich war er wieder in die Realität des Arbeitszimmers zurückversetzt und fühlte den Sessel unter sich.
    Juwain war verschwunden. Der greise Philosoph war gekommen, hatte mit seinem Freund eine Stunde der Besinnung verbracht und war dann leise davongeglitten.
    Es klopfte noch einmal.
    Webster lehnte sich vor, legte den Schalter um – und die Berge verschwanden; das Zimmer wurde wieder ein Zimmer. Dämmerung fiel durch die hohen Fenster herein, und das Feuer war nur noch ein hellrotes Flackern in der Asche.
    »Herein!« sagte Webster.
    Jenkins öffnete die Tür. »Das Abendessen ist gedeckt, Sir«, sagte er.
    »Danke«, sagte Webster. Langsam erhob er sich aus dem Sessel.
    »Ihr Platz, Sir«, sagte Jenkins, »ist von nun an am Ende des Tisches vorbereitet.«
    »O ja«, sagte Webster. »Danke, Jenkins. Vielen Dank, daß du mich daran erinnert hast.«
    Webster stand an der breiten Rampe des Raumhafens und beobachtete die Rakete, die am Himmel zusammenschrumpfte. Der rote Lichtspeer flackerte schwach durch den winterlichen Sonnenschein.
    Noch mehrere Minuten, nachdem die Rakete verschwunden war, stand er da; seine Hände umklammerten die Brüstung vor ihm, seine Augen starrten noch immer in den Himmel.
    Seine Lippen bewegten sich und sagten: »Auf Wiedersehen, Sohn.« Aber es war kein Ton zu hören.
    Allmählich wurde er sich seiner Umgebung bewußt. Wußte, das sich Leute rund um die Rampe bewegten; sah, daß das Landefeld sich

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